1. Das 6-Kategorien-System der Teesorten
Das zweite Unterkapitel der Teeverarbeitung beginnt dort, wo Lektion 8/1 geendet hat, mit dem 6-Kategorien-System der Teesorten. Obwohl das System ursprünglich der chinesischen Teekultur entstammt, findet es heute weltweit Anwendung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass bis zum heutigen Tag praktisch jede Teesorte aus jeder Anbauregion in diesem System zuordenbar ist. Dabei erfolgt die Zuordnung einer Teesorte zu einer Kategorie auf der Basis bestimmter, Art und Grad der Oxidation der Teeblätter beeinflussender Verarbeitungsmerkmale.
Das untenstehende Schaubild zeigt nun – im Groben – die Verarbeitungsschritte für jede der 6 Kategorien der Teeverarbeitung. So werden insbesondere auch die grundlegenden Unterschiede zwischen den einzelnen Verarbeitungskategorien deutlich.
2. Parameter der Teeverarbeitung
Zum besseren Verständnis wollen wir nun auf jeden der im Schema vertretenen Verarbeitungsschritte etwas näher eingehen:
2.1. Welken
Das Welken der Teeblätter als erster Verarbeitungsschritt für die meisten Teesorten dient einer Reihe verschiedener Zwecke. Zum einen verliert das Teeblatt während des Welkens Wasser und wird dadurch geschmeidiger. Dies kommt der Verarbeitung im nächsten Schritt, dem Rollen der Teeblätter, zugute. Zum anderen setzen beim Welken erste Oxidationsprozesse ein, die Geschmack und Aroma des Tees verändern und diversifizieren. So nimmt der Welkprozess dem Tee beispielsweise einen Teil seiner Adstringenz.
Die Art und Weise des Welkens der Teeblätter hängt für jede Teesorte davon ab, welcher Effekt erzielt werden soll. So sind Oxidationsprozesse etwas, das bei der Herstellung der meisten grünen Teesorten nur begrenzt oder gar nicht zuträglich ist. Andererseits ist eine gewisse Geschmeidigkeit der Teeblätter beim Rollen auch für grünen Tee immer wünschenswert. Da die Oxidation der Teeblätter beim Welken von den Faktoren Wärme und Luftaustausch begünstigt wird, dienen diese Faktoren quasi als Stellschrauben des jeweils gewünschten Effekts.
So kann das Welken in der Praxis „indoor“ oder „outdoor“, d. h. im Inneren der Teefabrik oder draußen im Freien erfolgen. Außerdem können die Teeblätter zum Welken entweder in einer dünnen Schicht ausgebreitet werden, zum Beispiel auf großen Bambustabletts. Alternativ hierzu ist ihre Aufhäufung in einem Welktrog. Hierbei sind die Unterschiede jeweils offensichtlich. Draußen, im Sonnenlicht, erfahren die Teeblätter Wärme und eine hohe Luftaustauschrate. In der schattigen Fabrikhalle dagegen ist es vergleichsweise kühl und es gibt nur wenig Luftbewegung. Und die Art und Weise des Ausbreitens bzw. Aufhäufens der Teeblätter bestimmt, wie viel von der Wärme bzw. Luft jedes Teeblatt abbekommt.
2.2. Aufbrechen der Blattstrukturen und -oberflächen
Für einige Teesorten, typischerweise zum Beispiel alle Oolong-Tees, begleitet ein weiterer Verarbeitungsschritt das Welken der Teeblätter: das Aufbrechen der Blattoberflächen durch manuelle Krafteinwirkung. Das heißt, die Teeblätter werden auf dem Welktablett oder im Welktrog von Hand vermengt und verwirbelt. Dies kann mit unterschiedlich starker Krafteinwirkung erfolgen. Die Spanne reicht hierbei von bloßem Vermischen der ansonsten weitgehen intakt belassenen Teeblätter bis zu deren nachdrücklichen Verkneten mit hohem manuellem Krafteinsatz.
Das Aufbrechen der Blattstrukturen dient zum einen der Beschleunigung der natürlichen enzymatischen Oxidation. Das heißt, einerseits diffundieren Zellsäfte Dank der aufgebrochenen Zellwände innerhalb des Teeblatts. Andererseits treten sie auf der aufgebrochenen Blattoberfläche aus und reagieren dort mit dem Sauerstoff aus der Luft. Beide Prozesse beeinflussen die aromatischen und geschmacklichen Eigenschaften des Teeblatts.
2.3. Oxidation
Oxidation ist die enzymatische Reaktion der Säfte im Teeblatt mit Sauerstoff.
Nimm einen Apfel und schneide ein Stück davon ab. Der Effekt ist bekannt: dort, wo das Fruchtfleisch mit Luft in Kontakt gerät, wird es sich bald braun färben. Zunächst nur leicht, dann immer mehr bis zu tiefdunkel. Hierbei verändert sich an der entsprechenden Stelle nicht nur das Aussehen deines Apfels, sondern auch dessen Geschmack.
Etwas ganz Ähnliches geschieht natürlicherweise mit Teeblättern nach der Pflückung. Wenn du sie einfach liegen lässt, werden sie zuerst gelb, dann braun. Wie oben beschrieben, können Wärme, Luftaustausch und das Aufbrechen der Zellstrukturen im Blatt und an dessen Oberfläche diesen Prozess beschleunigen. Nebst anderen Reaktionen wird hierbei das im Teeblatt enthaltene Chlorophyll enzymatisch aufgebrochen und Tannine werden freigesetzt oder umgewandelt.
Für die Herstellung von schwarzem, also vollständig oxidiertem Tee, lässt man diesem Prozess seinen Lauf. Um das gewünschte Geschmacksergebnis zu erreichen, ist es wichtig, dass der Erzeuger Umweltbedingungen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftaustauschrate während dieses Prozesses kontrollieren kann. Der Erzeuger kann den Oxidationsprozess jedoch auch an einem von ihm gewählten Punkt abbrechen. Die aus einem solchen Abbruch resultierende Teiloxidation ist beispielsweise ein charakteristisches Merkmal aller Oolong-Tees.
2.4. Stoppen der Oxidationsprozesse im Teeblatt – Fixieren
Lass uns nun nochmal zu dem Apfel-Beispiel zurückkehren. Während der angeschnittene Apfel braun wird, gilt dies nicht für Apfelscheiben auf einem Apfelkuchen. Diese sind vielmehr noch weiß, meist mit einem leicht gelblichen oder bräunlichen Einschlag. Das liegt daran, dass der Apfelkuchen beim Backen im Ofen großer Hitze ausgesetzt und der Oxidationsprozesse im Apfel auf diese Weise gestoppt wird. Die leicht gelbliche bis bräunliche Färbung erhalten die Apfelscheiben bereits in der Zeit, die zwischen der initialen Zubereitung des Kuchens und dessen Einschub in den Ofen verstreicht.
Bei der Teeverarbeitung erfolgt das Stoppen der Oxidationsprozesse im Teeblatt auf ganz ähnliche Weise, nämlich ebenfalls durch Hitzezufuhr. Dies kann beispielsweise durch Dämpfen der Teeblätter mit heißem Wasserdampf erfolgen, wie typisch für die Herstellung von grünem Tee in Japan. In China dagegen erfolgt die Hitzezufuhr klassischerweise beim Rösten der Teeblätter im Wok über Holzkohlefeuer. Die moderne Teeverarbeitung kennt aber auch verschiedene Formen speziell zu diesem Zweck konstruierter Öfen.
Das Stoppen der Oxidationsprozesse im Teeblatt wird häufig auch als Fixieren oder, aus dem Englischen, als „Kill Green“ bezeichnet.
2.5. Rollen der Teeblätter
Das Rollen der Teeblätter begleitet in vielen Fällen bereits den Fixierungsprozess. Für andere Teesorten folgt dieser Schritt unmittelbar danach. In der Praxis wechseln Erhitzen und Rollen sich für die Verarbeitung bestimmter Teesorten häufig auch mehrmals ab. Die klassischste bekannte Form dieses Verarbeitungsschritts ist das Rollen von Teeblättern von Hand im Wok. Eine andere weit verbreitete Methode ist das Einwickeln der Teeblätter in ein Tuch, dessen Enden man anschließend unter hoher Krafteinwirkung miteinander verdreht. Der so entstehende Ball durchläuft anschließend einen Prozess maschinellen Knetens, der den Teeblättern zu der gewünschten Form verhilft.
Der offensichtlichste Effekt des Rollens ist natürlich die Formgebung. Je nach Teesorte können Teeblätter hierbei eine nadelähnliche, kugelige oder gekräuselte Form erhalten. Das Formen der Teeblätter in diesem Verarbeitungsschritt hat neben dem ästhetischen Effekt aber auch maßgeblichen Einfluss auf Geschmack und Aroma des fertigen Tees. So sorgt die beim Rollen auf das Teeblatt ausgewirkte Kraft für die gleichmäßige Verteilung der Säfte im Teeblatt. Dem entgegenstehende und bisher erhalten gebliebene Zellwände und -strukturen fallen diesem Prozess endgültig zum Opfer. So ermöglicht das Rollen weitere, Geschmack und Aroma prägende Reaktionen zwischen den verschiedenen Substanzen im Teeblatt.
2.6. Schichten (nur gelber Tee)
Der Verarbeitungsschritt des Schichtens der Teeblätter kommt eigentlich nur bei der Verarbeitung von gelbem Tee zum Tragen. Dieser wird nach dem Fixieren und Rollen in Papier oder Tücher eingeschlagen, gestapelt und dann ruhen gelassen. In einigen Fällen erfolgt zuvor noch eine Befeuchtung der Teeblätter mit Wasserdampf. Hierbei kann die Dauer der Ruhephase je nach lokaler Tradition variieren. Auch Wärmezufuhr kann während dieses Prozesses zum Einsatz kommen. Jedenfalls bewirken die während dieser Zeit einsetzenden Post-Oxidationsprozesse eine Gelbfärbung der Teeblätter. Außerdem bringen sie den besonderen Geschmack und das spezifische Aroma von gelbem Tee hervor.
2.7. Trocknen
Naheliegenderweise dient der Prozess der Endtrocknung bei der Teeverarbeitung zunächst einmal dem Zweck, den Teeblättern die verbliebene Feuchtigkeit zu entziehen. Am Ende dieses Prozesses steht eine Restfeuchte von ca. 3%, die deinem Teeblatt bis zu deren finalem Gang in deine Tasse erhalten bleiben. Wieder ist es aber nicht nur das naheliegende, das diesen Prozess zu einem wichtigen und komplexen Bestandteil der Teeverarbeitung macht.
Wird die Temperatur zu heiß gewählt, „verbrennen“ die Teeblätter, was auch den Geschmack des Tees verdirbt. Verbleibt andererseits zu viel Restfeuchte, besteht die Gefahr, dass der Tee modrig wird oder gar schimmelt. Als besonders wichtig gilt der Zeitraum, in dem die Teeblätter von Raumtemperatur auf die gewünschte Trockentemperatur gebracht werden. Je schneller dies geht, desto weniger geschmacksverändernde Prozesse finden im Teeblatt statt. Und umgekehrt, je langsamer, desto stärker der Einfluss auf Geschmack und Aroma. Weiter sind natürlich auch die gewählte Trockentemperatur selbst sowie die Dauer der Trocknung entscheidende Faktoren.
Während dieser Phase der Teeverarbeitung entwickeln die Teeblätter beispielsweise das bei vielen Teesorten so beliebte Röstaroma. Dabei ist die Balance zwischen einem angenehmen Röstaroma und „verbrannt“ für den Erzeuger immer eine schwierige Gratwanderung.
2.8. Sortieren
An die Verarbeitung der Teeblätter schließt sich häufig noch eine Art Endsortierung an. Dies ist insbesondere da wichtig, wo makellose Endqualität angestrebt wird. Natürlich erfolgt eine erste Sortierung bereits bei der Pflückung. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass einzelne Teeblätter während der Verarbeitung Fehler erlitten haben. So kann ein Teeblatt beispielsweise beim Trocknen durch unglückliche Positionierung zu viel Hitze abbekommen haben. Das Aussortieren solcher Fehler erfolgt klassischerweise von Hand, während es heute natürlich auch hierfür spezielle Maschinen gibt, die beispielsweise Fehlfarben erkennen und so die „Spreu vom Weizen trennen“ können.
2.9. Reifen (v. a. Pu Erh Tee)
Einige Teesorten sind auch nach erfolgter Verarbeitung noch nicht – oder nur bedingt – bereit für deine Tasse. So erfordert insbesondere der Pu Erh Tee oder „dunkle Tee“ zur Verfeinerung noch eine Reifungsperiode. Bei solcher Reifung handelt es sich nun aber nicht mehr um die bisher beschriebenen enzymatischen Oxidationsprozesse, sondern vielmehr um einen Fermentierungsprozess.
Bei dunklem Tee / Pu Erh Tee ist die Dauer des Reifungsprozesses praktisch unbegrenzt. Je länger er reift, desto schmackhafter – und wertvoller – wird der Tee. So kommt es, dass ein über viele Jahre oder Jahrzehnte unter kontrollierten Bedingungen gereifter Pu Erh Tee preislich durchaus sein Gewicht in Gold erzielen kann. Wir erleben es aber auch bei anderen Teesorten, dass ihnen nach einer gewissen Reifungsdauer verbesserte geschmackliche Eigenschaften nachgesagt werden.
Soweit der Überblick… In den folgenden 6 Lektionen werden wir uns mit jeder der 6 Verarbeitungskategorien etwas näher beschäftigen. Lektion 8.3 der Kleinen Teeschule eröffnet diesen Reigen mit der detaillierten Betrachtung der Verarbeitung von grünem Tee.
Und noch etwas Werbung in eigener Sache…
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