Die Kleine Teeschule, Lektion 6 : Tee und Teeanbau – Klassifikation der Anbaustile

Teeanbau : Klassifikation der Anbaustile

Grundsätzlich unterscheiden wir 5 verschiedene Stile des Teeanbaus:

  1. Wildpflückung
  2. Konventioneller Teeanbau
  3. Konventioneller Bio-Anbau
  4. Biodynamischer Anbau
  5. Naturnaher Teeanbau

Die zugrundeliegende Unterscheidung liegt dabei in der Art und Weise der Interaktion des Anbaus mit der Natur.

Teeanbau - Klassifikation 5 Anbaustile
Teeanbau – Klassifikation 5 Anbaustile

1. Wildpflückung

Die Wildpflückung ist die ursprünglichste Form des Teeanbaus. Genau genommen handelt es sich dabei natürlich nicht um Anbau, da wildwachsende Teebäume ja nicht angebaut werden. Sobald Blätter gepflückt werden, kommt ein gewisser Grad an Kultivierung aber zwangsläufig ins Spiel. Denn zum einen stellt die Pflückung allein bereits einen Eingriff in die Natur dar, nach welchem man den Teebaum nicht mehr als wild im engsten Sinne bezeichnen kann. Und andererseits wird die regelmäßige Pflückung gewöhnlich von weiteren Kultivierungsmaßnahmen begleitet. Ein Beispiel hierfür wäre das regelmäßigen Zurückschneiden der Äste zugunsten eines verstärkten Austriebs.

Tee von wilden Teebäumen gibt es demnach genau genommen gar nicht, weil der Teebaum in dem Moment, in dem seine Blätter in deiner Teekanne schwimmen, bereits nicht mehr wirklich wild ist. So entspricht die sog. Wildpflückung eigentlich vielmehr einer „Kultivierung in ihrem natürlichen Umfeld wachsender Teebäume“.

Die Vor- und Nachteile liegen auf der Hand. Zum einen erhält man so den authentischsten Tee, also das unverfälschte Ergebnis des natürlichen Zusammenspiels von Terroir und Varietät (siehe Lektion 5). Und zum anderen ist dies natürlich die umweltfreundlichste Form des Teeanbaus. Weiter gilt Tee aus Wildpflückung als besonders reich an Inhaltsstoffen sowie als besonders komplex betreffend deren Zusammensetzung.

Die Schattenseite dagegen ist der relativ geringe Ertrag bei verhältnismäßig hohem Aufwand und die entsprechend limitierte Rentabilität dieses Anbaustils. Denn wildwachsende Teebäume sind zum einen schwer zugänglich. Zum anderen müssen sie zum Pflücken häufig erst erklettert werden. Dazu kommt, dass die frisch gepflückten Teeblätter in der Regel einen weiten Weg auf mühsamen Pfaden zur Teefabrik zurücklegen müssen.

2. Konventioneller Teeanbau – Monokultur

Der sog. „konventionelle“ Teeanbau ist das Ergebnis der Eliminierung oben genannter Schattenseiten der Wildpflückung im Zuge der Industrialisierung des Teeanbaus. Das heißt, im Sinne der Maximierung des Ertrags pflanzt man so viele Teepflanzen wie möglich auf eine gegebene Fläche. Diese stehen gut zugänglich in Reihen, während regelmäßiges „Pruning“ Pflückfreundlichkeit und Ertrag weiter erhöht. Da andere Pflanzen, also Bäume, Sträucher, Gräser usw. wo vorhanden dieser Strategie weichen müssen, ist das Ergebnis eine Monokultur.

Um den nötigen Input in den Boden zu gewährleisten, kommt eine Monokultur nicht ohne den Einsatz von Düngemitteln aus. Außerdem zieht der konzentrierte Anbau einer einzigen Pflanze zwangsläufig deren Fressfeinde an, bzw. beraubt diese natürlicher Alternativen. Zur Bekämpfung solcher „Schädlinge“ kommen dann Pestizide (Insektizide, Herbizide, Fungizid) zum Einsatz. Dabei bleibt ein Teil dieser auch für uns giftigen Substanzen uns in Form von „Rückstandsbelastungen“ am Teeblatt erhalten. Was kommerziell und angesichts der Nachfrage einer 5 Milliarden starken Weltbevölkerung nach dem meistgetrunkenen Getränk der Welt außer Wasser Sinn machen mag, erscheint bei kritischer Betrachtung also nicht als der Weisheit letzter Schluss. Daher haben insbesondere Bedenken in den Bereichen Umwelt und Gesundheit im 20. Jahrhundert zur Entwicklung alternativer Ansätze geführt. Diese tragen kommerziellen Rentabilitäts- und Qualitätsanforderungen, Umwelt- und gesundheitlichen Aspekten in jeweils unterschiedlicher Gewichtung Rechnung.

3. Konventioneller Bio-Anbau

Der konventionelle Bio-Anbau stellt den Faktor „Gesundheit“ in den Vordergrund. In seiner naivsten Form führt er die Monokultur fort, verzichtet jedoch auf den Einsatz schädlicher Substanzen wie Kunstdünger und Pestizide. Die logischen Folgen sind extreme Ertragsarmut und tendenziell minderwertiger Tee bei zunehmender Verarmung des Bodens. Um trotzdem Rentabilität zu erzielen, ist dieser zudem signifikant teurer als Tee aus konventionellem Anbau.

Um diesen Problemen Rechnung zu tragen, werden konventionelle Bio-Teeanbau-Projekte häufig auch Elemente des biodynamischen Anbaustils aufweisen.

4. Biodynamischer Anbau

Die biologisch-dynamische Landwirtschaft ist eine Sonderform des biologischen Anbaus. Laut Wikipedia handelt es sich dabei um eine Feldwirtschaft, Viehwirtschaft, Saatgutproduktion und Landschaftspflege umfassende Wirtschaftsweise, die auf den Ideen Rudolf Steiners beruht. Dieser stellte 1924 in einer Vortragsreihe ein neues, holistisches Konzept der Landwirtschaft vor, welches einer antizipierten Degeneration von Produkt und Saatgut im konventionellen Anbau entgegenwirken sollte. So werden im geschlossenen biodynamischen System beispielsweise eigene natürliche Düngemittel produziert und Schädlingspopulationen auf natürliche Weise gemanagt.

Die esoterischen Elemente in Steiners anthroposophisch motiviertem Ansatz ernteten diesem zu jeder Zeit viel Kritik. Trotzdem war der Ansatz im Jahr 1924 seiner Zeit weit voraus. Ein klarer Nachteil des Konzepts ist allerdings der hohe Anteil an menschlicher Intervention (Planung, Organisation, Umsetzung, Verlaufskontrolle und Regulierung, usw.). So schafft die Methode quasi ein alternatives, vom Menschen gemanagtes Ökosystem parallel zu dem der Natur. Außerdem resultiert der mit der Schaffung und Aufrechterhaltung dieses Systems verbundene Aufwand in besonders hohen Produktpreisen. Für den Teeanbau bedeutet ein biodynamischer Ansatz in der Praxis auch, dass nicht einfach nur Tee angebaut werden kann. Denn das System erfordert zusätzlich Elemente der Viehwirtschaft und der Landschaftspflege. Trotzdem gibt es den Ansatz bis heute auch in der Praxis. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der einschlägig (Demeter-) zertifizierte Makaibari Tee-Estate in Darjeeling.

5. Naturnaher Teeanbau

Die modernsten Ansätze im Teebanbau setzen auf die Natur selbst als Regelwerk für den Boden und zur Kontrolle von Schädlingspopulationen. Hierzu werden natürliche, biodiverse Ökosysteme quasi rekonstruiert oder nachempfunden. So schließt sich ein Kreis, denn der Ansatz hat letztlich viel gemein mit der ursprünglichsten Form des Teeanbaus, der Wildpflückung. Gleichzeitig reduziert die naturnahe Kultivierung die Nachteile des Sammelns von Teeblätter in der Wildnis auf ein Minimum.

Die Kultivierung von Teebüschen in biodiversen Arealen, die denen der natürlichen Heimat der Büsche ähnlich sind, wurde lange belächelt und von der Agrarindustrie mit dem Hinweis auf die zu erwartende Ertragsarmut abgetan. Heute zeigen einschlägige Projekte in Japan, China, Indien und anderswo, dass solche Teegärten durchaus gute Erträge abwerfen und rentabel arbeiten können. Zwar ist die Schaffung entsprechender Anbauflächen zeit- und arbeitsaufwändig. Ist das System aber erst einmal etabliert, pflegt und reguliert es sich quasi von selbst.

Bleibender Kritikpunkt an diesem Ansatz ist ein angenommenes Missverhältnis zwischen der Verfügbarkeit entsprechender Anbaufläche und der Masse des Bedarfs für Tee auf dem Weltmarkt. Die Frage ist also, ob und inwieweit dieser Ansatz dem Teebedarf von über 5 Milliarden Menschen gerecht werden kann. Beziehungsweise, welche anderen – sozialen, wirtschaftlichen und politischen – Parameter der Änderung bedürften, um dies zu ermöglichen. Allerdings sprengen diese – auch weltanschaulichen – Fragen den Rahmen der Kleinen Teeschule…

Der Tee in deiner Tasse…

Was genau hat nun die Art und Weise seines Anbaus mit dem Tee in deiner Tasse zu tun? Nun, geschätzte 85% des weltweit angebauten Tees entfallen auf Punkt 2, „Konventioneller Anbau“. Also beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass dein Tee in Monokultur und unter Verwendung künstlicher Düngemittel und Pestizide angebaut wurde, 85%!  Und wie oben dargestellt, bieten auch die übrigen 15% noch eine recht große qualitative Bandbreite. Es macht deshalb unbedingt Sinn für dich zu wissen, welchem Anbaustil genau dein Tee zuzurechnen ist.

Die in logischer und zeitlicher Sequenz nächste Station des Tees vom Strauch bis in die Tasse ist der Faktor Pflückung. Damit, wie diese beträchtlichen Einfluss auf den Tee in deiner Tasse nimmt, beschäftigt sich Lektion 7 der Kleinen Teeschule.

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