Standards der Teezubereitung nach Verarbeitungskategorie
Wie wir in den Lektionen 9.1 und 9.2. gesehen haben, hängen die jeweilige Form der Teezubereitung und die Ausgestaltung der Parameter stark vom individuellen Geschmack, den Zwecken und Kontexten sowie von der nationalen, regionalen und/oder Makro-Kultur ab, in welcher sie stattfindet. Es sei daher gesagt, dass die folgenden Ausführungen vornehmlich für die Teezubereitung zu Genusszwecken gelten sollen. Die zugrundeliegende (inter-) nationale Kultur soll dabei die westliche Kultur sein. Und die Makrokultur, in der unsere Teezubereitung lebt, ist die – zum Teil durchaus sino-affine – Welt der Tee-Gourmets und -Liebhaber.
Als solcher sieht man sich in der Welt des Tees einer schier unendlichen Sortenvielfalt gegenüber. Verschiedene Herkunftsländer, zahllose Kultivare und Subvarietäten der Camellia Sinensis und 6 Haupt-Verarbeitungskategorien schaffen geradezu unerschöpfliche Variationsspielräume. Entsprechend bleibt es nicht aus, dass der Teefreund immer wieder neuen Sorten begegnet, die es auszuprobieren und geschmacklich zu ergründen gilt. Dabei stellt sich gerade bei der Erstzubereitung jeder neuen Teesorte die Frage nach der Herangehensweise und Wahl der Parameter. Damit man hier nicht im luftleeren Raum agiert, haben sich im Laufe der Zeit gewisse Richtwerte für die Zubereitung der Teesorten jeder der 6 großen Verarbeitungskategorien etabliert.
Vorab, diese Richtwerte stehen nirgendwo geschrieben, und es gibt keinerlei branchen- oder auch nur szenespezifische Festlegung oder Übereinkunft. Die folgenden Darstellungen sind daher letztlich nicht mehr und nicht weniger als eine Synthese aus persönlichen Erfahrungen und Präferenzen und dem von einer Vielzahl von Quellen hinterlassenen Eindruck im Laufe der Jahre.
Standards der Teezubereitung – Grüner Tee
Westlicher Ansatz
Im Westen herrscht eine Tendenz zur Vermeidung als bitter empfundener Geschmäcker. Nun setzen sehr viele grüne Teesorten bei hoher Aufgusstemperatur schnell Bitterstoffe frei. Dies gilt in besonderem Maße für die billigen Grüntees des Massen-Teemarkts. Entsprechend prägen der Temperaturbereich um die 70°C und Ziehzeiten unterhalt 3 Minuten den Standard. Dabei markiert die 70°C-Linie für gedämpfte japanische Grüntees eher die Obergrenze und für geröstete chinesische Grüntees eher die Untergrenze. Ebenso sind Ziehperioden bis 2 Minuten eher typisch für japanische Grüntees, während man chinesische Grüntees tendenziell ab 2 Minuten aufwärts ziehen lässt.
Auch beim Dosieren neigt man im Westen eher zur Zurückhaltung… 1-1,5 Gramm Teeblätter pro 100ml Wasser repräsentieren den Standard. Weiter beschränkt sich die Zubereitung von grünem Tee in der westlichen Teekultur häufig auf einen Aufguss.
Chinesischer Ansatz
Um in den Genuss aller wünschenswerten, im Teeblatt enthaltenen Wirkstoffe zu gelangen gießt man grünen Tee in China eher heiß auf, dafür kurz und mehrfach. Das heißt, kochend heiß nach Beruhigen, Ausgießen bereits nach wenigen Sekunden und Zubereitung über 3-5 Aufgüsse. Dabei liegt die typische Dosierung um 2,5 Gramm Teeblätter pro 100ml Wasser.
Synthese
Ein gutes Mittel aus westlicher und chinesischer Dosierung liegt für grünen Tee bei 2 Gramm Teeblätter per 100ml Wasser. Im Sinne einer möglichst weitgehenden Extraktion der Inhaltsstoffe aus dem Teeblatt erscheint es weiter sinnvoll, einen grünen Tee über (mindestens) 2 Aufgüsse zuzubereiten. Von diesen gießt man einen ersten Aufguss um 70°C auf und lässt ihn 2 Minuten ziehen. So gelangt man in den Genuss eines wohlschmeckenden ersten Aufgusses, welcher einen Großteil des im Teeblatt enthaltenen Koffeins enthält. Anschließend gießt man einen zweiten Aufguss mit 90°C auf und lässt diesen für 3 Minuten ziehen. Ein solcher zweiter Aufguss kann etwas bitter schmecken, enthält aber einen großen Teil der im Teeblatt enthaltenen Katechine. Auch viele weitere Wirkstoffe werden sich erst im zweiten Aufguss lösen.
Wer einen allzu bitteren Geschmack vermeiden möchte, fügt einen weiteren Aufguss als Unterteilung des zweiten Aufgusses ein. Dann erfolgt der zweite Aufguss bei 80°C und zieht für 2-3 Minuten. Und der dritte Aufguss erfolgt bei 90°C und zieht für weitere 2-3 Minuten.
Standards der Teezubereitung – Oolong Tee
Westlicher Ansatz
Wie für gelben Tee, weißen Tee und Pu Erh Tee gibt es auch für den Oolong-Tee keinen etablierten westlichen Zubereitungsstandard. Das liegt daran, dass Teesorten dieser Kategorien im Westen bis in die jüngste Zeit weitgehend unbekannt waren.
„Gong Fu“-Ansatz
Ein spezifischer chinesischer Ansatz für die Zubereitung von Oolong-Tee ist die rituelle Zubereitung oder „Gong Fu Cha“. Bei dieser bereitet man den Oolong-Tee über eine Vielzahl von Aufgüssen zu. Dabei ist die individuelle Aufgussdauer mit Werten unterhalb einer Minute jeweils sehr kurz. Damit trotzdem jeder Aufguss einen ausgeprägten Geschmack aufweist, wählt man die Dosierung mit bis zu 5g/100ml Wasser eher hoch.
Die optimale Aufgusstemperatur eines Oolong-Tees im Spektrum 75°C-85°C ist abhängig vom jeweiligen Oxidationsgrad. Das heißt, für leicht oxidierte Oolong-Tees neigt man zur Vermeidung bitterer Geschmäcker zu eher niedrigen Aufgusstemperaturen (75°C-80°C). Entsprechend wählt man für Oolong-Tees mittleren Oxidationsgrades Aufgusstemperaturen zwischen 80°C und 85°C. Und die Aufgusstemperaturen für stark oxidierte Oolong-Tees decken den Bereich zwischen 85°C und 90°C ab. Diese Richtwerte sind jeweils auf den ersten Aufguss anzuwenden. Anschließend kann man die Temperatur von Auguss zu Auguss leicht erhöhen, um schließlich alle Wirk- und Geschmacksstoffe aus dem Teeblatt zu lösen.
Oolong-Tee-Zubereitung im Alltag
Teetrinker im Westen wie in China orientieren sich bei der alltäglichen Zubereitung von Oolong-Tees am ehesten an einer Synthese des Gong-Fu-Ansatzes mit den Anforderungen des Alltags. Entsprechend wird man einen Oolong-Tee bei einer Dosierung von ca. 3g/100ml über mehrere (3-5) Aufgüsse zubereiten. Von diesen zieht der erste typischerweise etwas länger, das heißt 2-3 Minuten. Folgeaufgüsse dagegen ziehen zunächst häufig kürzer. Erst bei nachlassendem Geschmack können Aufgüsse wieder länger ziehen.
Standards der Teezubereitung – Schwarzer Tee
In China wie im Westen gibt es eine starke Tendenz zur Zubereitung von schwarzem Tee in einem singulären Aufguss. Hiervon abweichende Zubereitungsansätze wie die „Gong Fu“-Zubereitung schwarzer Tees sind in China häufiger als im Westen. Genau genommen finden wir die Zubereitung von schwarzem Tee über mehrere Aufgüsse hier v,nur in besonders sino-affinen Makro-Teekulturen.
Beim Dosieren ist man in den Herkunftsländern generell großzügiger als im Westen. Dosierungen von 1,5-3 Gramm Teeblätter pro 100ml Wasser sind für schwarzen Tee in China beispielsweise normal. Dies erklärt auch, weshalb für den Schwarztee-Aufguss hier etwas kürzere Aufgusszeiten um 3-4 Minuten typisch sind. In Deutschland oder Großbritannien dagegen dürfen 1 bis max. 1, 5 Gramm schwarzer Tee gern bis zu 5 Minuten ziehen. Oder, für die, die ihren Tee gern besonders kräftig mögen, auch etwas länger.
Standards der Teezubereitung – Weißer Tee
Bei keiner Teesorte gehen die Zubereitungsempfehlungen so sehr auseinander wie bei weißem Tee. Dabei sollte man bei Zubereitungsstandards für weißen Tee grundsätzlich zwischen reinen Knospen-Tees und solchen mit Blattanteil unterscheiden. Als Faustregel gilt: je höher der Blattanteil, desto höher der Gehalt an Bitterstoffen. Dies wiederum bedeutet, dass man Silbernadeltees mit ihren eher subtilen Geschmäckern immer mit kochend heißem Wasser (90+°C) aufgießen kann. Auch hochwertiger Pai Mu Tan / White Moonlight mit einem Pflückstandard von 1+1/1+2 kann eine Aufgusstemperatur von 90°C gut ab. Für weiße Teesorten mit höherem Blattanteil dagegen empfiehlt es sich, die Aufgusstemperatur für einen ersten Aufguss entsprechend zu senken.
Auch für die Dosierung eines weißen „Silver Needle“-Tees gelten aufgrund der geschmacklichen Subtilität solcher Tees besondere Regeln. Hier sind Dosierungen ab 3 Gramm per 100ml Wasser durchaus angemessen. Für die Dosierung weißer Tees mit Blattanteil dagegen gelten ähnliche Regeln wie für deren Aufgusstemperatur. Das heißt, je höher der Blattanteil, desto niedriger kann die Dosierung im Bereich 1,5-3g Teeblätter pro 100ml gewählt werden.
Ganz ähnlich verhält es sich mit der Ziehdauer weißer Teesorten. Ein guter Silbernadeltee wird auch bei längerer Ziehdauer bis 5 Minuten und darüber hinaus nicht bitter. Vielmehr erhöht sich mit zunehmender Ziehdauer die geschmackliche Prägnanz. Weiße Teesorten mit mittlerem Blattanteil dagegen können wie schwarzer Tee zwischen 3 und 5 Minuten ziehen. Und weiße Tees mit hohem Blattanteil (Shou Mei / Gong Mei) sollten nicht länger als 2-3 Minuten ziehen. Die Ziehdauer von Folgeaufgüssen ist dabei immer von der Qualität des Blattmaterials sowie von der Ziehdauer vorangehender Aufgüsse abhängig.
Weiße Teesorten sind gut für die Zubereitung über mehrere Aufgüsse geeignet. Auch hier sehen wir eine Tendenz zu mehreren (2-3) Aufgüssen in der sino-affinen Teekultur. Eher westlich orientierte Makrokulturen dagegen werden weißen Tee häufig in einem singulären Aufguss zubereiten.
Standards der Teezubereitung – Gelber Tee
Auch für die Zubereitung von gelbem Tee lässt sich kaum ein für alle Sorten verallgemeinerbarer Standard benennen. Etwas einfacher wird es, wenn wir auch hier zwischen reinen Knospen-Tees und Sorten mit einem Blattanteil unterscheiden.
Ein Junshan Yinzhen oder Mengding Huang Ya verhalten sich in der Zubereitung etwa wie ein kleinblättriger grüner Tee mit Pflückstandard reine Knospe. Das heißt, kochend heißes Wasser über 2,5g Teenadeln und 2-3 Minuten ziehen lassen für einen ersten Aufguss. Anschließend belohnen 1-2 Folgeaufgüsse gleicher Wassertemperatur und Ziehdauer mit durchaus schmackhaften Ergebnissen.
Für einen Mengding Huangya dagegen gelten eher die Regeln eines grünen oder weißen Tees mit weniger hohem Pflückstandard. Das heißt, um Bitterkeit zu vermeiden, sollte ein erster Aufguss mit moderater Wassertemperatur (70-75°C) und Ziehdauer (2-3) Minuten erfolgen. Sowohl Wassertemperatur als auch Ziehdauer können für Folgeaufgüsse dann jeweils gesteigert werden. Ein durchaus sinnvolles Ziel ist auch hier die vollständige Extraktion der Wirk- und Geschmacksstoffe aus dem Teeblatt im Zubereitungsverlauf.
Standards der Teezubereitung – Pu Erh Tee
Wie schon beim weißen und beim gelben Tee ist auch beim Pu Erh Tee eine grundsätzliche Unterscheidung zu treffen. In diesem Fall ist dies die Unterscheidung zwischen (insbesondere jungem) ungereiftem „sheng“ auf der einen und gereiftem „shou“ auf der anderen Seite. Eine Besonderheit ist dabei, dass Standards, die für einen „shou“ gelten, auch auf einen entsprechend lang gelagerten „sheng“ anwendbar sind.
Für einen jungen „sheng“ Pu Erh Tee bedeutet dies: niedrige Wassertemperatur (70°C), kurze Ziehdauer, mehrere Aufgüsse (4+). Dabei Ziehdauer und Aufgusstemperatur mit jedem Aufguss steigern, um letztendlich die vollständige Extraktion der Wirk- und Geschmacksstoffe zu erzielen. Dabei wählt man die Dosierung je nach Qualität im Bereich 1,5-3g Teeblätter pro 100ml Wasser.
Ein gereifter „shou“ Pu Erh Tee dagegen kann wahlweise in einem singulären Aufguss oder über mehrere Aufgüsse zubereitet werden. Dabei gleicht die Zubereitung in einem Aufguss weitgehend der von schwarzem Tee: kochend heißes Wasser, relativ hohe Dosierung (ab 2,5-3g Teeblätter/100ml Wasser) und eine Ziehdauer von 3-5 Minuten. Auch bei der Zubereitung eines „shou“ über mehrere Aufgüsse ist von Anfang an kochend heißes Wasser (90-100°C) zu verwenden. Dabei ist die Ziehdauer einzelner Aufgüsse eher kurz, mit Option auf Verlängerung in späteren Aufgüssen.
Standards der Teezubereitung – Tabellarische Darstellung
Die folgende tabellarische Darstellung versucht eine Synthese der verschiedenen Ansätze unter Einbeziehung meiner persönlichen Präferenzen und Erfahrungen… Deshalb: bitte nicht böse sein, wenn die hier getroffenen Aussagen dem widersprechen, was du andernorts gelernt oder für dich selbst als besten Zubereitungsansatz für eine Teesorte etabliert hast. Es gibt hier kein Richtig und kein Falsch! Und passende Parameter-Kombinationen für die Zubereitung einer Teesorte gibt es so viele, wie es Menschen gibt, die Tee trinken…
Und noch etwas Werbung in eigener Sache…
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