Lektion 10/1 : Teekulturen der Welt (1) – Die Verbreitung der Teepflanze in China und Südostasien

Evolutionäre Verbreitung der Teepflanze in (Süd-) China und angrenzende Länder Suedostasiens

(Tee-) Erzeugerland-Kulturen vs. Teegenuss-Kulturen

Teekulturen haben sich grundsätzlich auf Basis zweier Vektoren etabliert. Dies wäre zum einen die evolutionäre Verbreitung der Teepflanze selbst in ihren unterschiedlichen klein- und großblättrigen Erscheinungsformen (Varietäten bzw. Kultivare). Zum anderen sind es die alten Handelswege des Tees, an deren Stationen und Endpunkten der Tee Fuss gefasst hat. Dabei prägt die jeweilige Mutterkultur eines Landes oder einer Region immer auch die spezifische Ausgestaltung der lokalen Teekultur.

Um eine bestimmte Teekultur zu verstehen, müssen wir deshalb zunächst wissen, wie der Tee ursprünglich dort hingekommen ist. Als Pflanze oder als Getränk? Das heißt, handelt es sich um ein Erzeugerland oder ist der Tee auf dem Handelsweg hierhergekommen? Oder beides? In diesem Sinne können wir zwischen „Erzeugerland-Kulturen“ und „Teegenuss-Kulturen“ unterscheiden. Sowie Teekulturen, die beides repräsentieren. Am einfachsten erklärt sich dies wohl anhand eines Beispiels. So verfügt beispielsweise England über eine ausgeprägte Teegenuss-Kultur. Teeanbau dagegen gibt es in England wegen des kühlen Klimas keinen. Vielmehr ist der Tee – als Getränk – auf dem Handelsweg hierhergekommen. Anders Kenia… Im mengenmäßig fünftgrößten Tee-Erzeugerland der Welt wird nur wenig Tee getrunken. Von einer Teegenusskultur kann keine Rede sein. Japan wiederum verfügt über beides: eine Kultur des Anbaus und der Verarbeitung japanischer Grüntees UND eine Kultur von deren Genuss!

Um die spezifische Ausprägung der lokalen Teekultur zu verstehen, müssen wir weiter ein Verständnis für die jeweilige Mutterkultur entwickeln, . Dies beinhaltet ein Grundwissen um die dortige Religion, politische Geschichte und daraus resultierenden sozialen Strukturen. Außerdem beinhaltet es ein Gefühl für die Mentalität der Menschen in dem / der betreffenden Land oder Region.

Wir wollen mit der Darstellung der Verbreitung der Teekultur an deren Ursprung beginnen. Das heißt, mit der evolutionären Verbreitung der Teepflanze innerhalb (Süd-) Chinas und den umliegenden Regionen Südostasiens.

Yunnan – Die Wiege des Tees?

Heimatländer des Ur-Teebaums : Yunnan, Nordvietnam, Laos, Myanmar, Nordthailand, Assam
Heimatländer des Ur-Teebaums – Karte zum Vergrößern klicken

Als Ursprungsort der Teepflanze wird allgemein die südchinesische Provinz Yunnan genannt. Diese ist bis heute berühmt für ihre aus Teeblättern in Yunnan heimischer großblättriger Teebaum-Varietäten hergestellten Pu Erh Tees. Nach Assam in Nordindien ist der Teebaum nachweislich erst von China aus gekommen. Dennoch trägt die großblättrige Baumform der Camellia Sinensis den Gattungsnamen „Camellia Sinensis Assamica“ .

Den Teebäumen in Yunnan artverwandte großblättrige Teebaum-Varietäten finden sich jedoch auch in den an Yunnan angrenzenden Regionen. Namentlich sind beispielsweise die den heutigen Ländern Laos, Myanmar, Thailand und Vietnam entsprechenden Gebiete Südostasiens. Dies spricht dafür, dass Yunnan den Titel „Wiege des Tees“ nicht für sich allein in Anspruch nehmen kann.

Alte Teebäume in Yunnan, Nordvietnam, Laos und Nordthailand
Alte Teebäume in Yunnan, Nordvietnam, Laos und Nordthailand – Bild zum Vergrößern klicken

Evolutionäre Verbreitung der Teepflanze innerhalb Chinas

Von Yunnan aus lassen sich vier Pfade der Verbreitung der Teepflanze in andere Regionen Chinas nachverfolgen. Diese führen von Yunnan aus über die heutigen Provinzen

  1. Guangxi und Guangdong bis nach Hainan
  2. Guizhou, Hunan, Jianxi und Fujian bis nach Taiwan
  3. Sichuan, Chongqing, Hubei und Anhui bis nach Jiangsu
  4. Sichuan und Shaanxi bis nach Henan
Evolutionäre Verbreitung der Teepflanze in (Süd-) China - Karte
Evolutionäre Verbreitung der Teepflanze in (Süd-) China – Karte zum Vergrößern klicken

Bis zum heutigen Tag entsprechen die von diesen Pfaden abgeckten Regionen der überwiegenden Verbreitung des Teeanbaus in China. Dabei sind die aufgezeigten Verbreitungslinien der Teepflanze innerhalb Chinas von essentieller Bedeutung für das Verständnis der Entwicklung verschiedener Teepflanzen-Varietäten. Es lässt sich nachverfolgen, dass die Teepflanze – und mit ihr ihre Blätter – entlang dieser Linien immer kleinwüchsiger wurde. So finden sich beispielsweise Zwischenstadien dieser Entwicklung – sog. Halbbaum-Teebüsche – im Fenghuangshan-Gebirge und im Wuyi-Gebirge. Und die kleinsten Tee-Büschlein und -Blätter finden wir an den Endpunkten der Verbreitungslinien, in Hainan, Taiwan, Jiangsu und Henan.

Entsprechend verdanken wir dieser Entwicklung Chinas Reichtum an verschiedenen Teepflanzen-Varietäten. Allerdings ist das Bild nicht ganz so einheitlich, wie diese Zeilen den Anschein erwecken mögen. Vielmehr handelt es sich dabei lediglich um eine starke Tendenz. Bis zu 15 Metern hohe, vergleichsweise großblättrige Teebäume gibt es nämlich beispielsweise auch in Taiwan.

Kleinblättrige Teebusch-Kultivare und Halbbaumbusch-Varietäten
Kleinblättrige Teepflanzen-Varietäten und Halbbaumbüsche – Bild zum Vergrößern klicken

Die chinesische Teekultur als Mutter aller Teekulturen

Aus der beschriebenen Entwicklung ergibt sich die Herausbildung der ältesten Teekultur der Welt, namentlich China. Dass wir die chinesische Teekultur trotz der geographischen Vielfalt und Ausdehnung als einheitlich wahrnehmen, liegt in erster Linie an deren früher zentraler Prägung durch den kaiserlichen Hof. Als Beispiel hierfür mögen die kaiserlichen Tribut-Tees dienen, wie sie ab dem Zeitalter der Tang-Dynastie (618-907) üblich waren. Als der erste Kaiser der Ming-Dynastie gegen Ende des 14. Jahrhunderts veranlasste, dass Tee nicht länger als Pulver verarbeitet, sondern dem Hofe in Form ganzer Blätter als Tribut dargebracht werden sollte, veränderte dies die gesamte chinesische Teekultur grundlegend.

Sehr viel weniger Aufmerksamkeit erfuhr der Tee in den oben erwähnten anderen Wiegenländern des Teebaums. Während die Teekultur in China unter kaiserlichem Einfluss über Jahrhunderte quasi proaktiv gefördert und entwickelt wurde, blieb das Pflücken von Teeblättern von wild wachsenden Teebäumen in den Gebieten des heutigen Laos, Myanmar, Nordthailand und Nordvietman den dort jeweils ansässigen Bergstämmen vorbehalten. Eine zentrale Förderung des Teeanbaus und der Teeverarbeitung gab es in diesen Regionen nicht. Entsprechend blieb auch die Entwicklung von Teekulturen dort auf einzelne Gebiete und die Kulturen besagter Stämme beschränkt. Da es diesen aber größtenteils an einer Schriftsprache fehlt, gibt es hiervon keine einschlägigen Überlieferungen. Ohne schriftliche Überlieferung wiederum konnte sich an diesen Orten auch keine nachhaltige Teekultur entwickeln.

So wurde die sich über Jahrtausende entwickelte chinesische Teekultur zur Mutter aller Teekulturen. Und so erklärt sich auch, warum bis zum heutigen Tag eigentlich alles im Zusammenhang mit Tee ursprünglich aus China kommt. Andere Teekulturen eigener nationaler oder regionaler Prägung ergaben sich dann auch nicht aus dem natürlichen Vorkommen von Teepflanzen in solchen Regionen, sondern erst aus dem Handel mit Tee aus China. Entsprechend beschäftigt sich unser nächstes Kapitel mit der

Entwicklung der Teekultur in China

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