21.10.2013
Sourcing Tee in China – Kapitel 4
Tie Guan Yin Oolong Tee – TKY Qingxiang vs. TKY Chunxiang
Was uns bei den Verkostungen zu Tie Guan Yin aus Anxi County, Provinz Fujian, China, zunächst große Rätsel aufgab, war das breite Spektrum an Qualitätsstufen, sog. „Grades“, die für diesen Tee angeboten werden. Zur Verwirrung trägt bei, dass die Teebauern in Anxi hierbei offenbar auch nicht alle dem gleichen Schema folgen, sondern dass vielmehr verschiedene „Grading“-Systeme geläufig zu sein scheinen. Das von unserem Erzeuger-Partner verwendete System ist hierbei noch eines der überschaubarsten: es umfasst insgesamt 5 verschiedene Qualitätsstufen, A+, A, B+, B, sowie eine weitere, namenlose Klasse, die alles zusammenfasst, was darunter liegt. Tatsächlich empfanden wir keine der von diesem Erzeuger angebotenen Qualitäten als „schlecht“. Vielmehr ist bereits die Namenlos-Klasse ein guter Tee, wobei jede Klasse von der jeweils darüber liegenden dann noch einmal übertroffen wird. Grundsätzlich ist der Geschmack des Tie Guan Yin in allen Grades der gleiche. Unterscheidungsmerkmal ist zum einen die Intensität des unverwechselbaren honigsüßen, an Sommerblumenwiesen erinnernden Geschmacks, zum anderen die Dauer dessen Verweilens in Mund und Rachen. Aufgrund unserer Auswahlkriterien für unser Angebot an erlesenen chinesischen Tees (ganz einfach: nur das Beste vom Besten) entschieden wir uns für die Aufnahme der beiden obersten Kategorien, A (Tie Guan Yin Qingxiang) und A+ (Tie Guan Yin Chunxiang) in den Siam Tee Shop.
TKY Qingxiang (Grade A, „Delicate Fragrance“) zeichnet sich durch ein besonders ausgeprägtes, frisches Geruchsaroma aus, das den Geschmack des Tees bis auf die feinste Nuance reflektiert, während beim TKY Chunxiang (Grade A+, „Mellow Tea Class“), der Duft zwar weniger stark ausgeprägt, dafür aber in eine noch höhere geschmackliche Intensität „übersetzt“ zu sein scheint, der tatsächlich über einige Stunden auf dem Gaumen und im gesamten Mund- und Rachenraum verweilt und so beispielsweise auch als „Begleiter“ an Orte und zu Anlässen „mitgenommen“ werden kann, die den Genuss von Tee eher nicht zulassen.
Wer Kapitel 1 dieser Reihe, „Sourcing Tee in China – Der Plan + Tie Guan Yin“ gelesen hat, weiß bereits, dass Tie Guan Yin Oolong Tee eine ganze Reihe von Besonderheiten aufweist, die bei anderen Teesorten so nicht zu beobachten sind (wenn nicht, unbedingt nochmal nachlesen!). Bei der aus meiner Neugierde geborenen Recherche, wie die Unterschiede der einzelnen Qualitätsstufen beim Tie Guan Yin überhaupt zustande kommen, ergab sich ein weiteres Merkmal, das diesen Tee von vielen anderen Teesorten Chinas abhebt: den charakteristischen Lebenszyklus der Tie Guan Yin Teepflanze.
Die Tie Guan Yin Pflanze produziert den für sie typischen Tee in wünschenswerter Qualität nur bis zum Alter von etwa 8-10 Jahren. Danach graben die Teefarmer in Anxi ihre alten Tie Guan Yin Pflanzen aus, um sie durch neue, jüngere zu ersetzen. Hierfür werden die jungen Setzlinge aus Ablegern von jungen Teepflanzen in eigenen Setzlingsschulen gezüchtet, in denen der Ableger ein bis eineinhalb Jahre verbleibt, bis er zum Einpflanzen im Teegarten als Ersatz für einen alten Tee-Busch verwendet werden kann. Hieraus ergibt sich ein komplexer, unablässiger Zyklus aus Setzlingen, jungen und alten Teebüschen, der nicht nur der ständigen Aufmerksamkeit des jeweiligen Teemeisters bedarf, sondern der auch einen wichtigen Teil der Kunst des Anbaus von Tie Guan Yin Tee darstellt. Wird dieser Zyklus unterbrochen, bedeutet dies für den Erzeuger praktisch das Aus und hat so das Potential, eine über Generationen gepflegte und weitergegebene Familientradition auf diese Weise zum Stillstand zu bringen.
Den besten Tie Kuan Yin Tee liefern die Blätter der jungen Pflanzen, mit graduellem Qualitätsgefälle von Jahr zu Jahr, was das Alter der jeweiligen Teepflanze zu einem der ausschlaggebenden Faktoren für das Grading, d.h. die Qualitätseinstufung eines Tie Guan Yin Tee macht. Wie bei anderen Teepflanzen ist ein zweiter entscheidender Qualitätsfaktor die Auswahl der Blätter von einem Teestrauch: je jünger das Teeblatt, desto besser die Qualität des resultierenden Tees. Wie in oben erwähntem Artikel bereits beschrieben, werden die jungen Sprosse für Tie Guan Yin Oolong Tee nicht geerntet, da sie über zu viele Bitterstoffe verfügen, die für diesen Tee als nicht wünschenswert erachtet werden. Erste Wahl, bzw. beste Qualität sind dennoch die obersten, d.h. die jüngsten und dem jungen Trieb am nächsten gelegenen Blätter. So ergibt sich ein komplexes Grading-System, das beide Faktoren berücksichtigt: einmal das Alter des jeweiligen Teestrauchs und zum zweiten das Alter des von diesem gepflückten Teeblatts.
Folgerichtig besteht der Tie Guan Yin Chunxiang (Grade A+, Mellow Tea Class) aus den jüngsten Blättern der jüngsten Teepflanzen, während der Qingxiang (Grade A, Delicate Fragrance) zwar ebenfalls die jüngsten Blätter repräsentiert, aber von bereits ein bis zwei Jahre älteren Tie Guan Yin Pflanzen stammt. Das Ernten der entsprechenden Partien für die jeweiligen Grades in der richtigen Reihenfolge und mit dem richtigen Timing ist wie die ständige Überwachung der Entnahme von Ablegern, die Zucht der Setzlinge und das Austauschen zu alt gewordener Pflanzen gegen junge, sprich: die Kontrolle des Lebenszyklus der Tie Guan Yin Teepflanzen, ein überaus komplexes System, dessen Beherrschung eine hohe Kunst ist, die in Anxi seit Tausenden von Jahren gepflegt, weiterentwickelt und von einer Generation an die nächste weitergegeben wird.
09.10.2013
Sourcing Tee in China, Kapitel 3
Lapsang Souchong, Zheng Shan Xiao Zhong, Jin Jun Mei – alles das Gleiche?
Kürzlich, im Rahmen des Sample-Prozesses, an dessen Ende dann die Einführung unseres Dian Hong Black & Golden Needle und des Bai Mu Dan Weißer Tee im Siam Tee Shop stand, verkosteten wir unter anderem einen Tee, auf dessen Packung „Lapsang Souchong“ stand. Drin in der Packung waren DREI GRAMM eines wilden Lapsang Souchong, und der Lieferant hatte das Sample eigentlich nur so zum Spaß geschickt, und mit den Worten: „Ist nicht immer lieferbar, z. B. nicht aktuell, und wenn er lieferbar ist, dann ist er wahrscheinlich preislich weit jenseits dessen, was dir jemand abkauft“. Naja, dann eben nicht…
Wilder Tongmu Lapsang Jin Jun Mei
Dennoch gönnten wir uns natürlich – in kleinstem Kreise und an einem für Luxus prädestiniertem Abend – das besagte 3g-Sample, ein Erlebnis, das sich am besten mit dem Wort „Offenbarung“ beschreiben lässt. Einen ganzen Abend lang und über mindestens 6 Aufgüsse schwelgten wir in diesem Tee, den man sogar dann noch aufgießt, wenn er dann eigentlich doch am Ende ist, nur um den fantastischen, das gesamte Gemüt erfüllenden Nachgeschmack noch ein wenig weiter zu verlängern (das funktionierte übrigens). Ein Wunder an Harmonie zwischen einem hochwertigen schwarzen Tees und dem für Lapsang Souchong typischen Rauchgeschmack. Aber was hilft’s? Es gibt ihn nicht immer, es gibt ihn gerade gar nicht, und wenn es ihn gibt, kann ihn sich niemand leisten. Aber der Name, Lapsang Souchong, hatte sich an jenem Abend in mein Gehirn eingebrannt und geisterte seither in meinen Gedanken herum, so dass ich denn auch gar nicht anders konnte als loszuziehen, um herauszufinden, ob es denn nicht doch auch einen Lapsang Souchong gäbe, der erschwinglich wäre und von dem an jenem Abend verkosteten Tee zumindest nahe käme. Nebst dem anstehenden Ergebnis meiner Anstrengungen, welches ich demnächst im Siam Tee Shop präsentieren werde, ergab sich im Zuge meiner Recherchen und Verkostungen wie immer auch eine gewisse Basis an theoretischem Grundwissen über Lapsang Souchong, das ich nur allzu gern mit dem interessierten Leser teile.
Wilder Tongmu Lapsang Jin Jun Mei: trockene Blätter und Triebe
Zheng Shan Xiao Zhong
“Zheng Shan” heißt übersetzt aus dem Chinesischen etwa „Original-Berg“. Gemeint sind die Wuyi Berge und dort im Besonderen das Gebiet „Tong Mu“, und es bedeutet auch, dass nur Lapsang Souchong, der von dort kommt, eigentlich Lapsang Souchong ist. Charakteristisch für alle Tees, die unter der Bezeichnung Lapsang-Tee laufen, ist das oben bereits erwähnte Räuchern eines schwarzen Tees während dessen Röst- und Verarbeitungsprozess. Worin sich Lapsang Tees jedoch unterscheiden, nebst den geschmacklichen Eigenschaften resultierend in einer Preisspanne zwischen spottbillig und unerschwinglich, ist zum einen die Qualität des verwendeten Tees, zum anderen das zum Räuchern verwendete Material und Methode, und zum Dritten mittlerweile wohl auch die Herkunft. Heute wird mit „Zheng Shan Xiao Zhong“ meist die beste Qualität klassischen Lapsang-Tees bezeichnet, d.h. im Prinzip ein auf einem hochwertigem Tee /Blattgrad basierender Lapsang „Souchong“.
Lapsang Jin Jun Mei: nasse Blätter nach dem Aufguss
Klassischer Lapsang Souchong
Traditioneller, klassischer Lapsang Souchong pflegte ein aus den unteren Teilen der Teepflanze („Souchong“ = viertes und fünftes Blatt) gewonnener und daher eher minderwertiger, dafür aber auch entsprechend preisgünstiger schwarzer Tee zu sein, dessen für sich genommen eher unvorteilhafte Geschmackseigenschaften mithilfe des ausgedehnten, etwa 8-stündigen Räucherprozesses kaschiert und um die Rauchgeschmacksnote ergänzt wurde, um den Tee trotz seiner minderwertigen Qualität marktfähig zu machen. Tatsächlich heißt es, dass Lapsang Souchong zwar in Europa hohes Ansehen genoss, in China selbst aber eher als „Arme-Leute-Tee“ galt. Das in der Regel sehr starke Räuchern erfolgt traditionell auf einem Feuer aus frisch geschnittenem Fichten- oder Kiefernholz, was zu dem typischen Geschmack und Aroma von klassischem Lapsang Souchong beiträgt.
Lapsang Jin Jun Mei
Die Idee, einen sehr viel hochwertigeren „Lapsang“ zu produzieren, indem man zum Einen sehr viel hochwertigeren Tee (1 Trieb + 1 oberstes Blatt, oder 1 Trieb + 2 oberste Blätter) nimmt und diesen zum Anderen auf eine sehr viel schonendere Art und Weise auf einem Feuer aus gut abgelagertem und gänzlich trockenen (anstatt des für den „Souchong“ verwendeten frisch geschnittenen) Kiefernholz und für einen deutlich kürzeren Zeitraum räuchert, wurde erst nach der jüngsten Jahrtausendwende entwickelt. Dieser neue, Lapsang Jin Jun Mei genannte Tee klettert seither beständig die Beliebtheitsskala hinauf, und das sowohl außerhalb Chinas, also z. B. in Europa und in den USA, als auch in China selbst. Geklettert sind damit allerdings auch die Preise: von einem „Arme-Leute-Tee“ kann man hier nun eindeutig nicht mehr sprechen.
Lapsang Tongmu
Wie bereits weiter oben erwähnt, ist das Gebiet Tongmu die Wiege und das traditionelle Anbaugebiet für den Lapsang Souchong. Da Tongmu heute jedoch ein UNESCO-geschütztes Gebiet und so klein an Fläche ist, dass die Produktion des klassischen Lapsang Souchong dort als nicht mehr lohnenswert erachtet wurde, sprangen die Teeerzeuger in Tongmu nur allzu bereitwillig auf den neuen Trend auf und produzieren heute fast ausschließlich den deutlich höhere Preise erzielenden Lapsang Jin Jun Mei, während der klassische Lapsang Souchong immer häufiger nicht aus Tongmu selbst, sondern aus angrenzenden Gebieten stammt und von dort zur Verarbeitung nach Tongmu gebracht wird.
Was das für uns bedeutet
Nun, für uns bedeutete dies zunächst einmal die Erkenntnis, dass es gar nicht „Lapsang Souchong“ Tee im engeren Sinne war, wonach wir gesucht hatten, sondern vielmehr „Lapsang Jin Jun Mei“ Tee einereits und Lapsang „Zheng Shan Xiao Zhong“ andererseits (oder insgesamt „Lapsang Tongmu“, was einem etwas weiter gefassten Begriffsverständnis entsprechen würde). Probiert hatten wir eine ganze Reihe von „Lapsangs“ zunächst einmal, ohne auch nur die geringste Ahnung von den oben beschriebenen Ursprüngen, Hintergründen, Differenzierungen und Entwicklungen zu haben, und tatsächlich: im Nachhinein stellte sich heraus, dass die klassischen (und durchweg billigen) Lapsang Souchongs bereits in einem sehr frühen Stadium unserer Verkostungen durch das Raster gefallen waren, während die Frontrunner, die sich mittlerweile für unsere Endauswahl qualifiziert haben, durch die Bank Lapsang Jin Jun Mei oder Zheng han Xiao Zhong Tees sind. Beim Studium einschlägiger Online-Quellen fiel uns auf, dass auch hochwertige und teure Lapsangs von Händlern immer noch sehr häufig als Lapsang Souchong betitelt werden, wohl einfach aufgrund der sehr viel höheren Geläufigkeit dieses Namens.
Einen ausgezeichneten Lapsang „Zheng Shan Xiao Zhong“ finden Sie jetzt im Siam Tee Shop! Zur einschlägigen Produktseite mit vielen Infos und Illustrationen geht es per Klick auf den folgenden Link: