13.09.2024
Die Professionelle Teeverkostung
Die Art und Weise, wie du zuhause neu erworbene Teesorten probierst, unterscheidet sich stark von der Teeverkostung in kommerziellen Kontexten. Das beginnt damit, dass der im Kontext einer professionellen Teeverkostung aufgegossene Tee gar nicht gut schmecken muss, ja, dies sogar per se nicht tut. Weiter geht es damit, dass der verkostete Tee gar nicht getrunken, sondern in einem regelrecht unappetitlich anmutenden Ritual wieder ausgespuckt wird. Und dazwischen liegt eine Reihe formalisierter sensorischer Prüfungen, die wahrscheinlich ebenfalls weit über das hinausgehen, was du zuhause gewöhnlich mit deinem Tee machst.
Anstelle der Zubereitung eines schmackhaften Tees dient das „Tea Tasting“ oder „Cupping“, wie man die professionelle Teeverkostung auch nennt, Teeerzeugern und -Händlern für eine Reihe spezifischer Zwecke. Eine typische Anwendung der professionellen Teeverkostung auf Erzeugerebene ist beispielsweise der Vergleich verschiedener Batches einer bestimmten Pflückung. Auf Händlerebene dagegen ist die Verkostung neu hereingekommener Muster der wohl häufigste Anwendungsfall. Weiter bedienen professionelle „Tea Taster“ sich der standardisierten Teeverkostung zur Herstellung von Teemischungen, sogenannter „Blends“. Diese wiederum machen einen Großteil des weltweiten Teemarktes aus.
Geschichte der professionellen „Teeverkostung“
Die Wurzeln der Teeverkostung reichen Jahrhunderte zurück und stammen, wie fast alles rund um den Tee, ursprünglich aus China. In Europa verließen Unternehmen sich auf ausgebildete Experten, um die Qualität der Teelieferungen zu bewerten. Diese Praxis entwickelte sich zu dem Beruf des „Tea Tasters“, wie wir ihn heute kennen.
In London, der europäischen Teehandelsmetropole des 18. Jahrhunderts, etablierten sich schließlich branchenweite Standards für die vergleichende Bewertung von Tee. Seitdem beträgt das Standardvolumen des Aufgussbechers eines professionellen Teeverkostungssets 0,15 Liter, die Standardaufgusstemperatur 90 °C und die Standardziehdauer 5 Minuten. Gleichzeitig wurde die Menge der für den Aufguss verwendeten Teeblätter auf 2,85 Gramm festgelegt, was dem Gewicht einer britischen 2-Pence-Münze zu dieser Zeit entsprach. Damals bediente man sich zum Abwiegen der Teeblätter einer Balkenwaage, auf deren einer Seite man eine solche Münze platzierte. In der heutigen Praxis wird dieser Wert häufig auf 3g aufgerundet.
Teeverkosten als Beruf – Der „Tea Taster“
Um ein professioneller Teeverkoster oder „Tea Taster“ zu werden, braucht man mehr als nur Liebe zum Tee. In der Regel ist jahrelange Erfahrung erforderlich, angefangen bei den Grundlagen der Teeproduktion bis hin zur Beherrschung der sensorischen Bewertung. Eine Ausbildung in Lebensmittelwissenschaft, Agronomie oder sogar Gastgewerbe kann von Vorteil sein. Es gibt auch formelle Kurse zur Teeverkostung, die oft von Berufsverbänden oder Teeschulen angeboten werden. Es gibt jedoch kein offiziell anerkanntes Teeverkoster-Zertifikat, sodass die Qualifikation des Bewerbers von seinem individuellen Talent und seiner Erfahrung abhängt.
Ein guter Teeverkoster braucht einen feinen Gaumen und ausgeprägte sensorische Fähigkeiten. Er muss in der Lage sein, die feinsten Geschmacksnoten zu erkennen, ob fruchtig, blumig oder erdig, und Adstringenz oder Bitterkeit zu erkennen. Die Beschäftigungsmöglichkeiten reichen von der Arbeit für Teemarken und -händler bis hin zur Tätigkeit als Berater oder Qualitätskontrollexperten.
Instrumente der professionellen Teeverkostung
Das standardisierte „Tea Tasting“-Set
Das essentielle Werkzeug des professionellen Teeverkosters und Herzstück des zugehörigen Prozesses ist das standardisierte „Tea Tasting“-Set. Dieses folgt in seiner Gestaltung einfachen funktionalen, aber nichtsdestoweniger präzisen Prämissen. Es besteht normalerweise aus einer Teeschale und einer Henkeltasse mit Deckel, beides per Standard mit einer Füllkapazität von 0,15 Litern.
Die „Tea Tasting“-Kladde
Ziel ist die Identifikation der einzelnen Aromen und geschmacklichen Noten und deren jeweiliger Ausprägung sowie die Beschreibung des Erscheinungsbildes von Teeblatt und Aufguss. Zu diesem Zweck dokumentieren die Verkoster die festgestellten aromatischen und geschmacklichen Eigenschaften sowie die visuellen Eindrücke von Teeblatt und Aufgussfarbe auf einer sogenannten „Tea Tasting“-Kladde. Diese enthält nebst einem „Aroma Wheel“ weitere Felder zur Beschreibung und Gradierung der untersuchten Eigenschaften.
Ablauf der Professionellen Teeverkostung
Vor- und Zubereitung
In professionellen Kontexten werden mehrere Teesorten parallel zueinander aufgegossen und verkostet. Der Tea Taster gibt zunächst eine großzügige Menge Teeblätter jedes zu verkostenden Tees in ein deren visuelle und olfaktorische Prüfung erlaubendes Gefäß. In der Praxis sind dies oft an Pommes-Schalen erinnernde Pappschalen. Dann wiegt der Verkoster 2,85g (bzw. 3g) jeder zu verkostenden Teesorte ab und gibt sie in die Henkeltassen. Dabei werden Teeblätter, Zubereitungsgefäß und Teeschale jeder Teesorte in einer Anordnung aufgereiht, die eine eindeutige Zuordnung ermöglicht. Hierauf folgt der möglichst zeitgleiche Aufguss aller vorbereiteteten Sets mit 90°C heißem Wasser bis zum Rand der Henkeltasse. Schließlich verschließt man diese für die Ziehdauer des Aufgusses mit ihren zugehörigen Deckeln.
Nach Ablauf der Ziehdauer von 5 Minuten greift man den Henkel des Zubereitungsgefäßes mit der rechten und den „Griffknopf“ des Deckels mit der linken Hand und legt beides ohne den Deckel abzuheben mit der gezackten Einsparung der Tasse nach unten und dem Loch im Deckel nach oben in die Teeschale. Dabei sind Zubereigungsgefäß und Teeschale so gestaltet, dass dies problemlos möglich ist. Der Inhalt des Zubereitungsgefäßes ergießt sich nun – Dank des Luftloches im Tassendeckel ungehindert – in die Schale. Dieser Prozess erfolgt für alle Sets in der gleichen Reihenfolge und Geschwindigkeit, mit der zuvor aufgegossen wurde.
Nach dem vollständigen Entleeren der Zubereitungsgefäße in die Teeschalen gelaufen ist greift man das Zubereitungsgefäß erneut in der oben beschriebenen Weise. Man dreht es nun um 180° auf den Kopf und schüttelt die Teeblätter in den Tassendeckel. Nach dem Abheben der Tasse vom Deckel stellt man diese wieder auf den Tisch und legt den umgedrehten Deckel mit den Teeblättern darauf.
Verkostung und sensorische Prüfung
Der Verkoster unterzieht zunächst sowohl das trockene als auch das nasse Teeblatt sowie den Aufguss einer umfassenden sensorischen Prüfung. „Sensorisch“, das heißt in diesem Falll visuell, olfaktorisch und haptisch. Erst dann folgt die eigentliche gustatorische Verkostung, für die man sich gewöhnlich eines großen (Suppen-) Löffels bedient. Der Tee wird mit lauten, von Außenstehenden häufig als unappetlich empfundenen Geräuschen vom Löffel geschlürft und im Mund für eine Weile hin- und herbewegt. Dabei ist es wichtig, dass alle Bereiche der Mundhöhle und somit alle verschiedenen Geschmacksknospen mit dem Tee in Kontakt geraten. Nachdem der Tea Taster sich ein abschließendes Urteil gebildet hat, spuckt er den Tee in ein dafür bereitgestelltes Spuckgefäß. So vermeidet er die übermäßige Aufnahme von Flüssigkeit, Koffein und anderen Inhaltsstoffen des Tees bei der täglichen Berufsausübung.
Während der gesamten sensorischen Prüfung werden die Eindrücke und festgestellten Eigenschaften für jeden verkosteten Tee in der „Tea Tasting“-Kladde festgehalten.
Die SiamTee „Tea Taster“-Kladde kannst du dir hier kostenlos herunterladen:
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Obwohl das Tea Tasting und die zugehörigen Instrumente für Profis erfunden wurden, findet die Methode auch private Anwendung. So lassen sich beispielsweise gleichartige Tees verschiedener Anbieter auf diese Weise ganz hervorragend miteinander vergleichen. Wer bietet die beste Blattqualität? Wo zeigen sich Unterschiede in Geschmack und Aroma der verkosteten Tees? Welche qualitativen Unterschiede lassen sich aus den Eindrücken und Beobachtungen ableiten? Oder beispielsweise auch: wie stellen sich meine liebsten Schwarz- oder Grüntees im direkten Vergleich dar? Dabei müssen wir uns selbstverständlich nicht an die standardisierten Parameter des professionellen Tea Tasting Sets halten. Insbesondere nicht, was die Ziehdauer betrifft, denn nach 5 Minuten Ziehen werden selbst die meisten unserer Lieblingstees bestenfalls noch für eine „professionelle Beurteilung“ taugen…
Der Autor dieser Zeilen möchte den erwähnten Möglichkeiten der privaten Nutzung des professionellen Teeverkostungssets noch eine weitere hinzufügen. Diese hat sich mir im Laufe der Jahre offenbart und seitdem vielfach bewährt: Tatsächlich gibt es praktisch keinen besseren Reisegefährten für die Teezubereitung wie das Professionelle Teeverkostungsset. Denn dieses nimmt aufgrund seines kompakten Designs nur minimalen Platz im Reisegepäck ein. Gleichzeitig gewährleistet die funktionale Orientierung der beiden Gefäße aber beste Voraussetzungen für die angemessene Zubereitung gleich welchen Blatt-Tees. Deshalb meine ausdrückliche Empfehlung: DO try this at home – das professionelle Teeverkostungsset gibt es hier im Siam Tee Shop:
Professionelles Teeverkostungset / Tea Tasting Set / Cupping Set im Siam Tee Shop
Für ausführliche Erläuterungen und Anleitung für die Teezubereitung zu Genusszwecken und anderweitig empfiehlt sich zusätzlich die Lektüre von
Die Kleine Teeschule – Das ABC vom TEE
Lektion 9 : Teezubereitung
Teezubereitung (1) – Parameter der Teezubereitung