30. März 2015
In diesem Artikel möchte ich versuchen, einen Überblick über die Entwicklung des Teeanbaus und der Teekultur in Japan sowie deren heutigem Erscheinungsbild zu liefern. Angesichts einer bis ins 9. Jahrhundert zurückreichenden Geschichte des Teeanbaus in Japan, Hunderter offiziell registrierter Teekultivare, einem von grünem Tee über Oolong-Tee bis schwarzem Tee reichenden Sortenspektrum und einer Reihe im ganzen Land verteilter Anbauzentren mit unterschiedlichen Klimaten und Charakteristiken ist dies keine leichte Aufgabe, und das Thema Tee in Japan ist insgesamt ein recht komplexes. Der folgende Überblick muss daher auf eine detaillierte Darstellung einzelner Aspekte verzichten und liefert dafür eine umfangreiche Liste von in zukünftigen Artikeln eingehender zu behandelnden Themen.
Ursprung des Teeanbaus in Japan
Während bereits seit Anfang des 9. Jahrhunderts buddhistische Mönche Tee und Tee-Samen von Studienreisen aus China mit zurück nach Japan brachten, gilt der Zen-Meister und Mönch Esai als die zentrale Figur der Grundsteinlegung des Teeanbaus in Japan. Im Jahr 1191 brachte auch er Tee-Samen sowie einschlägiges Wissen um die Kultivierung und Verarbeitung von Tee und die gesundheitlichen und geschmacklichen Vorzüge des Teegenusses mit aus China zurück nach Japan. Sein besonderer Verdienst ist seine Engagement um die Verbreitung des Teeanbaus in Japan und die Einführung des Teegenusses in der japanischen Krieger-Kaste (Samurai), einer Art japanischer Adelsklasse der damaligen Zeit mit großem Einfluss in Politik und Gesellschaft. In seinem 1211 veröffentlichten Werk „Kissa Yohjoh Ki“ (übersetzt etwa: „Bessere Gesundheit durch Tee“) beschreibt Esai insbesondere die gesundheitsrelevanten Wirkungen des Teegenusses auf Körper und Geist.
Edel smaragdgrüne Farbe von Gyokuro Tee
Die ersten Teepflanzungen Japans lagen in Uji, Kyoto, und bis heute genießt „Uji-Cha“ (Uji-Tee) in Japan trotz eines relativ geringen Anteils der Region von nur ca. 3,5% am gesamtjapanischen Teeanbau besonderes Ansehen. Von hier aus verbreitete sich der Teeanbau auf eine Reihe weiterer, im ganzen Land verteilter Anbauzentren. Das mit einem Anteil von ca. 40% größte Teeanbauzentrum des heutigen Japans ist Shizuoka, gefolgt von Kagoshima (ca. 19%), Mie (ca. 7%) und Kyoto.
Angebaut und verarbeitet werden in Japan überwiegend grüne Tees. Obwohl auch Oolong-Tees und schwarzer Tee durchaus ein – wenn auch vergleichsweise bescheidener – Platz im japanischen Tee-Weltbild haben, sind es auch die verschiedenen für Japan typischen grünen Teesorten, die das Bild des Teeanbaus in Japan in aller Welt prägen. Anders als in China wird grüner Tee in Japan zur Vermeidung von Oxidationsprozessen traditionell typischerweise nicht geröstet, sondern gedämpft. Wie wir später noch Sehen werden, ist aber auch das Rösten von grünem Tee in Japan als Methode durchaus bekannt.
Teeanbaugebiete in Japan, Karte mit freundlicher Genehmigung von Keiko Tee
Die Erfindung des Schattentees
Ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des japanischen Tee-Anbaus ist die Einführung der Beschattung der Teefelder für bestimmte Sorten japanischen grünen Tees im 16. Jahrhundert. Die Beschattung der Teepflanzen für einige Tage bis zu 3 Wochen vor der Pflückung bewirkt Aktivitäten in der Teepflanze, die eine veränderte Zusammensetzung der Inhaltsstoffe zur Folge haben: ein erhöhter Anteil an Aminosäuren (insbes. L-Theanin) und Alkaloiden (insbes. Koffein, Theophyllin) sowie eine Reduktion der Bitterstoffe (insbes. Katechine). So steigert die Beschattung den Süße-Grad im Geschmack eines japanischen Grüntees, bewirkt aber außerdem auch eine Intensivierung von dessen Duftaroma und Blattfarbe. Ursprünglich erfolgte die Beschattung durch das Ausbreiten von Stroh auf den Teepflanzen. Heute ist diese Methode dem Überspannen der Teegärten mit Netzen gewichen. Die Verwendung von Netzen bietet neben einer beträchtlichen Reduktion des Arbeitsaufwands den Vorteil, dass der Filterungsgrad des Sonnenlichts über die Maschengröße der Netze sowie durch das Übereinanderspannen von Netzen in mehreren Lagen kontrolliert und vereinheitlicht werden kann.
Japanischer Sencha-Tee in der heimischen Zubereitung
Hinsichtlich des Beschattungsgrades unterscheidet man in Japan heute 3 Grundkategorien von grünem Tee: unbeschatteten grünen Tee (Sencha Tee), halbbeschatteten grünen Tee (Kabusecha / Kabuse Sencha Tee) und voll beschatteten grünen Tee (Gyokuro Tee). Bei der für Halbschatten-Tee (Kabusecha) verwendeten Methode, die auf der Idee der Nachstellung der natürlichen Lichtverhältnisse in der Natur basiert (Schatten durch Bäume und größere Sträucher), werden die Teegärten für einige Tage bis zu mehreren Wochen mit sog. „Kabuse“-Netzen überspannt (jap. „Kabuse“ = „Netz“), die etwa 50% des UV-Lichts herausfiltern. Die vollständige „Einhausung“ der Teefelder für die Herstellung von Gyokuro-Tee erfolgt mit einer ähnlichen Methode, nur dass engmaschigere Netze verwendet oder mehrere Lagen von Netzen übereinander gespannte werden, um einen Filtergrad von 90% für das einfallende Sonnenlicht zu erzielen. Vollschatten-Tee (Gyokuro) wird mit einer Beschattungszeit von 3 Wochen tendenziell länger beschattet als Halbschatten-Tee („Kabusecha“ oder „Kabuse Sencha“. Allerdings ist auch eine bis zu dreiwöchige Beschattung von Kabusecha Tee durchaus gängig. Obwohl der Beschattungsgrad oft als ein elementares Qualitätsmerkmal japanischer Grüntees hervorgehoben wird, ist dies nur teilweise zutreffend, denn zum einen sind die durch die Beschattung und ihre Abstufung hervorgerufenen unterschiedlichen Geschmacksprofile japanischer grüner Tees letztlich Geschmacksache, und zweitens kommt natürlich auch bei japanischem Grüntee noch eine ganze Reihe weiterer Qualitätsfaktoren zum Tragen, darunter allen voran Ernteperiode und Blattgrad.
Strahlend hellgrüne Tassenfarbe von Kabusecha Tee
Ernteperioden und Blattgrade
Wie in China gelten auch in Japan die Tees der Frühlingsernte als die besten des Jahres. Unterschieden werden eine Frühpflückung (April), eine Hauptpflückung (Mai) sowie eine Reihe von Sommerpflückungen (Juni bis August) und Herbstpflückungen. Die Beschattung der Teefelder entfällt für die späteren Ernten, mit der Folge, dass Schattentees trotz ihres prägenden Charakters für den japanischen Teeanbau letztlich doch nur einen geringen Anteil an der gesamten Grünteeproduktion Japans ausmachen (z.B. Gyokuro ca. 3%). Die Bestimmung des Blattgrades erfolgt in Japan grundsätzlich zwar auf der gleichen Basis wie für chinesische Tees, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: während in China der meiste Tee noch heute von Hand gepflückt wird und somit ein Pflückstandard festgelegt werden kann, der sich am Verhältnis frischer Knospen zu den zusammen mit diesen gepflückten darunter liegenden Teeblättern orientiert, erfolgt die Teeernte in Japan heute überwiegend maschinell, was bedeutet, dass der Blattgrad stattdessen durch die Einstellung der Maschine auf eine bestimmte Pflückhöhe sowie das Timing und die Häufigkeit von Pflückungen bestimmt wird. Dass die Vorteile der Handpflückung (sowie der traditionellen manuellen Verarbeitung) letztlich aber nicht von der Hand zu weisen sind, wird unter anderem daraus offensichtlich, dass auch japanische Teebauern gerne kleine Chargen ihrer besten Tees selbst von Hand pflücken und verarbeiten, mit denen sie dann auf nationalen und internationalen Tee-Wettbewerben antreten.
Fertig zubereiteter Hojicha Tee
Japanische Teekultivare
Aus China wissen wir, dass der jeweilige Tee-Kultivar, d.h. die botanische Untervarietät von Camellia Sinensis, nicht nur prägend für die einzelnen Teesorten ist, sondern diese in vielen Fällen überhaupt erst begründet. Auch in Japan gibt es viele verschiedene Teekultivare, Hunderte, um genau zu sein. Diese werden seit 1953 öffentlich registriert, wobei neben den registrierten Teekultivaren nach wie vor auch nicht registrierte bzw. namenlose Teekultivare in Gebrauch sind. Relativiert wird dieser Reichtum an verschiedenen Kultivaren in Japan dadurch, dass ein einziger von ihnen, der Yabukita-Kultivar, mehr als drei Viertel des gesamten japanischen Teeanbaus repräsentiert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass dieser Kultivar mit seinem ausgeprägten „umami“-Geschmack nicht nur geschmacklich den Präferenzen der japanischen Teetrinker entgegenkommt, sondern durch das gerade senkrechte Wachstum der Äste und den starken, konzentrierten Austrieb junger Knospen an den Astenden auch der in Japan heute üblichen Methode der Maschinenernte am ehesten entgegenkommt.
Jadegrüne Tassenfarbe von Sencha Tee
Japanische Teesorten / Arten von japanischem grünem Tee
Basierend auf den oben genannten Unterscheidungskriterien (insbesondere Beschattung, Erntezeit und Verarbeitung) kennen wir aus Japan heute vor allem die folgenden Sorten von grünem Tee sowie basierend auf grünem Tee hergestellten weiteren Teesorten:
Sencha Tee
Ein Sencha Tee ist immer ein unbeschatteter grüner Tee. Darüber hinaus sagt der Begriff Sencha zunächst wenig über die Qualität eines Tees, d.h. dessen Erntezeitpunkt und Pflückstandard aus. Die besten Sencha Tees werden allerdings immer während des Frühlings und bis hinein in den frühen Sommer (Juni) geerntet werden und überwiegend aus Knospen und jungen Teeblättern bestehen, da spätere Ernten und geringere Blattgrade genau genommen nicht mehr in die Kategorie Sencha Tee fallen, sondern vielmehr als Bancha Tee bezeichnet werden.
Fukamushi Sencha oder „Fukamushicha“
Fukamushi Sencha ist ein Sencha Tee, der im Rahmen der Verarbeitung zu grünem Tee einer besonders langen Dämpfung unterzogen wird. Der verlängerte Dämpfungsprozess bewirkt ein verändertes Geschmacks- und Aromaprofil des fertigen grünen Sencha-Tees.
Bancha Tee
Bancha-Tee wird entweder aus geringeren Blattgraden (hoher Anteil an älteren, größeren Teeblättern) oder aus Teeblättern der Spätsommer- und Herbsternten hergestellt. Nun könnte man sich die Frage stellen, wo der Punkt liegt bei einem doch so offensichtlich „minderwertigen“ Tee, aber dies wäre tatsächlich die falsche Frage. Häufig liest man in Verbindung mit Bancha Tee den Begriff „Arme-Leute-Tee“, aber dies ist letztlich irreführend bzw. nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Tatsächlich haben nämlich die Japaner Wege gefunden, aus solchem Blattmaterial und Pflückungen minderer Qualität mittels besonderer Verarbeitungsmethoden erstaunlich schmackhafte Tees zu erzeugen, von denen manche sich heute nicht nur in Japan, sondern überall in der Welt großer Beliebtheit erfreuen. Beispiele hierfür sind
Fertig zubereiteter Kyobancha Tee
- Hojicha-Tee: Bancha Tee wird nach der vollständigen Verarbeitung zu grünem Tee (einschließlich Rollen) einer Röstung unterzogen. Das Resultat ist eine harmonische geschmackliche Mischung aus typischen Grüntee-Noten und dem durch das Rösten erzeugten Röstgeschmack.
- Frühlingsbancha: Ein typischer Frühlingsbancha besteht aus der Pflückung der verbleibenden Blätter im Frühling unmittelbar nach der ersten Sencha-Ernte. Ein gut verarbeiteter Frühlingsbancha kann es nicht nur durchaus mit einem Sencha aus einer später Pflückung aufnehmen, er hat auch insgesamt ein eigenes, nicht zu verachtendes Geschmacksprofil.
- Kyobancha: Kyobancha Tee ist eine Spezialität der Kyoto-Region: Blätter des Vorjahres werden im zeitigen Frühjahr (März), noch Wochen vor der ersten Sencha-Ernte gepflückt und nach der Verarbeitung zu grünem Tee (ohne Rollen) einer besonders intensiven Röstung unterzogen. Der intensive Röstgeschmack des resultierenden, optisch an welkes Spät-Herbstlaub erinnernden Tees ist überraschend angenehm und findet beispielsweise unter Freunden stark oxidierter Oolong-Tees oder milder Schwarztees großen Gefallen.
Kabusecha oder „Kabuse Sencha“ Tee
Kabusecha oder „Kabuse Sencha“ Tee ist wie oben dargestellt ein japanischer Halbschattentee, der vor seiner Ernte (typischerweise mehrfach von April bis Juni) für mehrere Tage oder bis zu 3 Wochen mit sog. „Kabuse“-Netzen überspannt wird, so dass etwa 50% des Sonnenlichts herausgefiltert werden.
Gyokuro Tee
Gyokuro ist wie oben dargestellt ein japanischer Vollschatten-Tee, der vor seiner Ernte (typischerweise Mai/Juni) für 3 Wochen mit engmaschigen Netzen oder mehreren Lagen von Netzen beschattet wird. Er zeichnet sich aus durch besonders hohen Süße-Gehalt und die gesteigerte Intensivität von Geschmack und Aroma.
Shincha Tee
„Shincha“ bedeutet zunächst nichts weiter als frischer Tee, d.h. im weiteren Sinne gilt zunächst eigentlich jeder frisch geerntete und nach der Pflückung unverzüglich verarbeitete grüne Tee in Japan als Shincha Tee. Im Laufe der Zeit hat sich parallel jedoch noch ein hiervon abweichender Shincha-Begriff geprägt und etabliert, gemäß dem nur die frischen Tees der ersten Frühlingsernte als Shincha-Tees qualifiziert sind. Geschmacklich zeichnen Shincha-Tees sich vor allem durch ihre ungewöhnliche Frische und Intensivität aus. Japanische Teeerzeuger scheuen keinen Aufwand, um die Tees der zeitigen Frühernte sofort nach der Pflückung zu verarbeiten und dem Markt zuzuführen, wo die Shincha-Tees des neuen Frühlings in jedem Jahr sowohl in Japan selbst als auch bei uns bereits ungeduldig und mit hoher Antizipation erwartet wird.
Genmaicha Tee
Genmaicha Tee ist eine besondere japanische Tee-Spezialität. Es handelt sich um einen Blend aus grünem Sencha Tee und gerösteten Reiskörnern, der in einer weiteren Version auch Matcha-Pulver zugegeben werden kann.
Grüntee-Pulver und Matcha-Tee
Die Methode, grüne Teeblätter entweder ganz oder nach der Befreiung von Blattstängeln und -Rippen zu feinem Pulver zu zermahlen, welches dann in heißes Wasser eingerührt wird, stammt ursprünglich aus China und wurde in Japan bereits früh übernommen. Während sie in China wieder in Vergessenheit geriet, sind Grüntee- und Matcha-Pulver seit jeher fester Bestandteil der japanischen Teekultur. Während Grüntee-Pulver einfach aus gemahlenen Grüntee-Blättern besteht, wird genuiner Matcha Tee ausschließlich aus von Blattstängeln und -Rippen befreiten ungerollten Tencha-Blättern hergestellt.
Da das Matcha-Pulver bei der Zubereitung in das heiße Wasser eingeschäumt und nicht wie im Fall ganzen Teeblätter wieder aus dem fertigen Tee herausgesiebt wird, nimmt man beim Genuss von Matcha Tee alle im Teeblatt enthaltenen Wirkstoffe mit auf, was nebst dem intensiven, eigenen Geschmack eine Steigerung der belebenden Wirkung (Koffein) sowie der gesundheitlichen Effekte von Matcha Tee zur Folge hat. Matcha wird per Standard in der japanischen Teezeremonie verwendet.
Tencha Tee: Teeblätter befreit von Blattstängeln und -Rippen
Japanische Teekultur und Japanische Teezeremonie
Eine Schlüsselfigur für die heutige Ausprägung der japanischen Teekultur und die Erscheinungsform der japanischen Teezeremonie ist der während des 16. Jahrhunderts lebende und wirkende Teemeister Sen no Rikyu, Vater des Chanoyu, des japanischen „Teewegs“. Er erhielt von Kindesbeinen an Einweisung in die Kunst der traditionellen Teezeremonie und verfeinerte und entwickelte diese im Wesentlichen zu dem weiter, was wir bis heute als japanische Teezeremonie kennen. Diese ist fest verankert in den gesellschaftlichen Strukturen Japans und der japanischen Kultur und spiegelt diese in vielen Punkten wieder. Der per Standard in der japanischen Teezeremonie verwendete Tee ist der Matcha Tee.
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Sencha, Bancha, Kabusecha, Gyokuro, Shincha, Matcha und Genmaicha