Okt. 2014: Der Wert von Tee – ein holistischer oder ‚Qi‘-Ansatz

DER TEESPIEGEL - Der Blog im Siam Tee Blog: Logo19. Oktober 2014

Der wahre Wert von Tee – Ein Holistischer oder ‚Qi‘-Ansatz

Teil 1: die Prozess-Dimension

A 'Qi' approach to the value of tea - overview zum Vergrößern Bild klicken

Was ich in diesem Artikel beschreiben möchte, ist ein eher ungewöhnlicher Ansatz an den Wert von Tee, der sich weder auf das kommerzielle Wert-Konzept noch auf die für (westliche) Konsumenten typische Methode der Wertermittlung stützt, sondern versucht, Tee stattdessen aus einer ganzheitlichen (holistischen) oder ‚Qi‘-Perspektive zu bewerten. Tatsächlich entspricht diese Herangehensweise weitgehend dem von mir für das Sourcing von Tees für den Siam Tee Shop verwendeten Ansatz. Sie ist außerdem geeignet, dem Betrachter bei Anwendung nicht nur auf unseren Teekonsum, sondern auf unser gesamtes Konsumkonzept den Zugang zu einer sehr viel tiefer gehenden, nachhaltigeren und fruchtbringenderen Perspektive auf Konsum im Allgemeinen zu eröffnen. Lasst uns zunächst aber einen Blick auf die oben erwähnten „konventionellen“ Konzepte von Produktwert werfen.

In der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist der Wert eines Produkts eine Mischung aus simpler Mathematik und gewissen Gesetzmäßigkeiten der (menschlichen) Natur, angewandt auf eine Trade-Situation. Die Erstere besteht in der Kalkulation der tatsächlich in die Produktion, Transport, Verzollung, Besteuerung, usw. eines Produkts involvierten Kosten. Für Tee beginnt dies mit den Kosten für das Land, auf dem der Tee angebaut wird, und geht weiter über Saatgut, Dünger, Arbeitslöhne, Kosten für Einrichtungen, Anlagen, Verwaltung und Transport, Zölle, Einfuhrumsatzsteuer, Abwicklungsgebühren und weitere Verwaltungs- und Transitkosten bis hin zum Einzelhändler. Ich denke, der Gedanke wird klar. Besagte Gesetze der menschlichen Natur, die in der ökonomischen Theorie hiermit einhergehen, werden als das „Gesetz von Angebot und Nachfrage“ bezeichnet (zur Veranschaulichung: dies ist, was dafür verantwortlich ist, dass ein einfaches Glas Wasser in der Wüste bei Knappheit des Gutes Wasser ein Vermögen kosten wird, sowie dafür, dass, wer diesen Preis nicht bezahlen kann, zum Verdursten verurteilt ist). Am Ende der Rechnung steht immer eine Zahl, zu welcher der Einzelhändler als letzten Betrag noch seine eigene Gewinnspanne – im wirtschaftlichen Sinne ebenfalls Kosten – hinzu addieren wird, um den Endverkaufspreis zu bestimmen, den Preis, zu dem Teetrinker den betreffenden Tee von diesem Einzelhändler kaufen können. Hierbei erachtet die gängige Wirtschaftstheorie jeden Schritt, der mit Kosten verbunden ist, als einen „Wertzuwachs“ – oder „Mehrwert“, das heißt der Wert (hier auch: Preis) eines Produkts ist letztlich gleich der Summe der mit dem Produkt verbundenen Kosten bzw. der Summe von Wertzuwächsen/Mehrwerten über die gesamte Wertkette. Aber: wie nehmen wir als Endverbraucher, hier: Teeliebhaber, diese kostendefinierten Wertzuwächse wahr, nehmen wir sie überhaupt wahr, und: bringen sie unserem Tee tatsächlich einen Wertzuwachs? Ganz einfach: solange wir nicht wissen, was sich hinter diesen Zahlen verbirgt, sind sie nichts als Zahlen, und in diesem Fall ist unser wahrgenommener Wert eines Tees auf den nackten Betrag des Preises beschränkt, den wir dafür bezahlen. Denn solch „nackter“ Tee, ohne Namen, verbriefte Eigenschaften und Informationsinhalte, egal wie gut und teuer – also vermeintlich wertvoll – er sein mag, bietet uns tatsächlich zunächst einmal nichts außer einem der Größe nach definierbaren Loch im Geldbeutel.

Sie sagen, das ist nicht wahr? Sie sagen, dass viele dieser „Kostenfaktoren“ tatsächlich echte und wahrnehmbare Wertzuwächse darstellen, da sie ja zur Bildung der absolut wahrnehmbaren individuellen Eigenschaften des Produkts, hier: der Geschmack des Tees, beitragen oder solche Eigenschaften gar in Gänze begründen? Da haben Sie natürlich völlig Recht, und damit wären wir beim zweiten betrachteten „herkömmlichen“ Konzept von Produktwert angelangt, dem allgemein verbreiteten „Konsumentenansatz“. Selbstverständlich kauft der Teeliebhaber nicht nur einfach eine Zahl! Warum sollte er etwas kaufen, das mit keinem erkennbaren Wert verbunden ist außer der Wahrnehmung eines fehlenden Geldbetrags in seiner Tasche? Der Kunde, hier: der Teetrinker, kauft tatsächlich wahrnehmbaren Wert, welcher entweder einfach der Geschmack eines bestimmten Tees (‚ich mag diesen Tee‘) oder einzelner Eigenschaften desselben (‚ich mag Long Jing Grüner Tee‘) oder Bündel solcher Eigenschaften (‚ich mag Frühlingsernte Long Jing Grüner Tee vom Ursprungsort Hangzhou‘). Bei einem Tee, der diese (singulären und für den Tee insgesamt letztlich nur begrenzt repräsentativen) Eigenschaften besitzt, sind die entsprechenden Wertzuwächse (Long Jing grüner Tee, Frühlingsernte, vom Ursprungsort Hangzhou) gleichzusetzen mit Kosten, die in den Preis dieses Tees einfließen. Obwohl diese „Verbraucher-Perspektive“ nicht nur bereits sehr viel komplexer, sondern auch viel menschlicher ist als das anfänglich beschriebene kommerzielle Wert-Konzept, bedeutet es dennoch, dass der vom Teetrinker aus seinem Tee bezogene Wert, soweit vorhanden, ein eher oberflächlicher ist und begrenzt ist auf die offensichtlichen Geschmackseigenschaften eines Tees plus eine kleine Reihe einzelner und keineswegs repräsentativer Eigenschaften (im Beispiel: Long Jing Tee, grüner Tee, Frühlingsernte, ursprünglicher Herkunftsort Hangzhou). Ein Tee, der diese Anforderungen erfüllt, könnte beispielsweise eine extrem minderwertige Pflückqualität haben, Gegenstand von Verarbeitungsfehlern oder unter nachteiligen Bedingungen verschifft worden sein.

Diesen beiden Ansätzen, von denen einer lediglich Eigenschaften quantifiziert, die mit Kosten gleichgesetzt werden können, und der andere den Schwerpunkt vorgeblich auf wahrnehmbare Vorzüge legt, welche aber auf einzelne Eigenschaften oder kleine Sets solcher Eigenschaften beschränkt sind, die keineswegs den wahren Gesamtwert eines Tees reflektieren – oder den Mangel an solchem, was das betrifft – möchte ich einen sehr viel holistischeren Ansatz an den Wert von Tee gegenüberstellen, der sich an dem alten chinesischen philosophischen Konzept des ‚Qi‘ orientiert.

Anders als der beschriebene geläufige „Verbraucher-Ansatz“, aber ebenso wie die rein kommerzielle Methode der Erfassung des des Wertes eines Tees, beginnt unser ‚Qi‘-Ansatz an den tiefsten Wurzeln des „Werdens“ unseres Tees und durchläuft unter Dokumentation und Weitergabe jeglicher „Wertzuwächse“ – bzw. „Wertminderungen“ – durch die gesamte Wertkette hindurch alle Stadien vom Ursprung eines Tees über dessen Anbau im Teegarten und seine Verarbeitung bis zu Transport und Versand an die Groß- und Einzelhändler auf den Bestimmungsmärkten und seinen Platz im Regal des (physischen oder virtuellen) Tee-Shops. Anders als beim kommerziellen Ansatz setzt der von mir vorgeschlagene Ansatz Wertzuwächse jedoch nicht mit finanziellen Kosten gleich. In einem ganzheitlichen oder „Qi“-Ansatz entsprechen Wertzuwächse Qualitäten/Eigenschaften, die nicht oder nicht eindeutig in Zahlen gemessen werden können, und für die selbst möglicherweise zurechenbare Zahlen entweder irrelevant oder nur auf einer sekundären Ebene relevant sind. Tatsächlich ist bereits die Anzahl solcher Qualitäten bzw. Eigenschaften, die zu der Gesamtheit und damit dem Wert eines Tees beitragen, von Natur aus unendlich und von daher letztlich eben keine Zahl. Dies schließt auch jegliche Form der Kalkulation, d. h. dem Aufsummieren von Zahlen, von vornherein aus, da das Addieren einer potentiell unendlichen Anzahl von Zahlen jenseits der Grenzen mathematischer Machbarkeit liegt.

„Qi“ bedeutet, kurz gesagt, die (nicht-mathematische) Summe von aller Dinge und Ereignisse, die zum Werden, der Entwicklung, Erscheinungsform und Eigenschaften einer Entität beitragen (siehe hierzu auch meinen Blogartikel „Sourcing Tee in China – das ‚Qi‘ von Tee„). Zu Ende gedacht schließt dies praktisch jedes und jegliches zu jedem Zeitpunkt stattfindende Ereignis ein, da alle Dinge auf eine Art und Weise miteinander in Verbindung stehen, die ganz offensichtlich zu komplex ist, um vom menschlichen Geist vollkommen und in jedem Detail erfasst werden zu können. Damit dieser Ansatz Sinn macht, müssen wir ihn also auf die relevantesten identifizierbaren und dokumentierbaren Einflussfaktoren reduzieren, d.h. auf die wesentlichen Faktoren innerhalb des direkten Umfeldes eines von uns betrachteten Tees. Dennoch werden wir so ganz offensichtlich ein sehr viel breiteres Spektrum von Eigenschaften abdecken und folglich zu einem sehr viel komplexeren und repräsentativeren Gesamtbild gelangen.

Der Grundgedanke dieses Ansatzes ist, dass alles, das einem Tee auf seiner Reise vom Samen bis ins Ladenregal widerfährt, dessen Qualität, d. h. seine wahrnehmbaren Eigenschaften, entweder auf positive oder negative Weise beeinflusst und daher – unabhängig von damit verbundenen finanziellen Kosten – entweder einen Wertzuwachs oder eine Wertminderung darstellt. Aus der Perspektive des oben beschriebenen Verbraucher-Ansatzes an den Wert von Tee gesehen, wird jedes Element auf dieser Liste den Geschmack des fertigen Tees beeinflussen und sich somit – zumindest theoretisch – für den Teetrinker wahrnehmbar machen, während das kommerzielle Wertkonzept nur diejenigen Faktoren erfassen wird, die mit finanziellen Kosten verbunden sind, unabhängig davon, ob dem Tee tatsächlich eine – positive oder negative – Eigenschaft hinzugefügt oder eine bestehende solche Eigenschaft verändert wird. Mein vorgeschlagener holistischer oder ‚Qi‘-Ansatz verfolgt das Ziel, so viele solcher Elemente wie möglich zu identifizieren, sie in der Form informativer Inhalten festzuhalten und diese Informationsinhalte dann durch die Wertkette weiterzureichen, wo sie sich bis zur Auslieferung des entstehenden Tees an den Endverbraucher in Form von dessen Eigenschaften zu einem Gesamtwert akkumulieren. Aus meiner eigenen Teetrinker-Erfahrung weiß ich, dass der einem Tee durch singuläre Eigenschaften hinzugefügte Wert eigentlich nur dann wirklich als identifizierbarer Wert wahrgenommen wird, wenn die Eigenschaft für den Teetrinker nicht nur im Geschmack und somit eher unbestimmt wahrnehmbar, sondern auch in Form von Informationsinhalten verfügbar ist. Während dieselbe Eigenschaft auch ohne ihre Verfügbarkeit als Informationsinhalt im Tee präsent sein wird, wird sie in den meisten Fällen vom Teetrinker nicht oder nicht bewusst wahrgenommen werden, da diesem nichts als den geschmacklichen Gesamteindruck seines Tees zur Wahrnehmung und Beurteilung zur Verfügung steht, welcher im Wesentlichen ein Pool aus all diesen Eigenschaften und viel zu komplex ist, um die Unterscheidung einer relevanten Anzahl individueller Eigenschaften und damit Werten zu ermöglichen.Ich glaube daher, dass wir alle sehr viel mehr aus unserem Tee machen, größeren Wert aus unserem Tee beziehen können, wenn wir mehr Informationen über ihn besitzen. Das menschliche Gehirn begleitet jede rationale Information mit einer emotionalen Bewertung und verknüpft am Ende des Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesses alle solchen rationalen Informationen und emotionalen Bewertungen zu einem „Gesamteindruck“ bzw. einer „Gesamterfahrung“, welche ich – für einen Tee – als Repräsentation des eigentlichen oder wahren Werts dieses Tees ansehen würde. Natürlich gibt es bei Tee eine unendliche Anzahl von Einflussfaktoren und Ereignissen, die Auswirkungen auf die Eigenschaften dieses Tees haben, so dass wir wahrscheinlich niemals wirklich alles über einen Tee wissen können, aber je mehr Informationen wir über einen Tee besitzen, desto reicher wird unsere Erfahrung dieses Tees sein, wobei reichere Erfahrung gleichzusetzen ist mit höherem Wert. Anders als der kommerzielle Wertbegriff wird der ‚Qi‘-Ansatz jedoch nicht nur positive Wertzuwächse dokumentieren, sondern auch negative, also Wertminderungen, so dass der Besitz vieler Informationen über einen Tee nicht nur über das Potential verfügt, diesen Tee zu qualifizieren und ihm Wert zu verleihen, sondern eben auch, ihn zu disqualifizieren und seinen Wert zu mindern.

Wir wollen nun einige Beispiele für Faktoren betrachten, die Qualitäten bzw. Eigenschaften in einem Tee kreieren, ob positive oder negative solche. Ich möchte nur einige wenige solcher Faktoren nennen, um den Grundgedanken zu veranschaulichen. Auf Teegarten-Ebene wären dies beispielsweise Faktoren/Eigenschaften wie geographische Lage, Boden, Höhe, Einsatz von Pestiziden, Klima (Sonne, Niederschlag, Temperaturen), Saatgutqualität, Teekultivar, und so weiter. Als ein geografischer Standort dürfte Yunnan für einen Pu Erh Tee positiver wahrgenommen werden als Kenia, natürlich fruchtbare Böden wünschenswerter erscheinen als künstlich gedüngte, ‚high mountain‘ wird allgemein Anbaugebieten im ‚Flachland‘ vorgezogen, Bio-Qualität als besser erachtet werden als stark pestizidbelastete Tees, usw. Nächste Ebene: Tee-Ernte. Mit dieser Ebene verbundene Faktoren sind beispielsweise Pflückstandard, Ernte-Saison (Jahreszeit), von Hand geerntet oder Maschinenernte, Arbeitslöhne bzw. Arbeitsbedingungen (z. B. Vorliegen ausbeuterischer Bedingungen). Es liegt auf der Hand, dass knospenreiche Pflückstandards auf der positiven Seite der Skala angesiedelt sind, Pflückungen 4. und 5. Blätter auf der negativen. Frühlingsernte wird als positiv, Spätsommerernte als negativ wahrgenommen, Ernte von Hand wird als der Maschinenernte überlegen erachtet und Fair Trade wird als sehr viel positiver empfunden als die Ausbeutung von Pflückern und Arbeitern in der Teefabrik. Es folgt die Verarbeitungsebene: manuelle Verarbeitung vs. automatisierte Verarbeitung, vorhandene Fertigkeiten und Kenntnisse, geröstet oder gedämpft, Belassen der ganzen Blattform oder Zerhacken der Blätter zu Flocken, individuelle („Artisan“) Verarbeitung vs. Massenproduktion, wieder Löhne und Arbeitsbedingungen… diese Liste kann für jede Stufe der Wertkette über Groß- und Zwischenhändler, Tee-Consultants und -Broker, Transits und Lagerung bis zum „finalen“ Teeladen erstellt und erweitert werden.

Noch einmal, eine vollständige Liste solcher Eigenschaften zu erstellen, wirklich alle solchen Informationen auf jeder Ebene zu erheben und sie vollständig und unkompromittiert zu nächsten Ebene weiterzureichen, sprengt in der Praxis klar die Grenzen des Machbaren. Dennoch wird jede Anstrengung Beteiligter, die unternommen wird, um dem Ziel, möglichst viele Informationen mit einem Tee zu liefern, den Wert dieses Tees für den Teetrinker über den der bloßen Geschmackserfahrung hinausheben, und das ohne diesem Tee jegliche finanziellen Kosten hinzuzufügen, d. h. ohne ihn teurer machen. Das Wissen um solche Eigenschaften existiert auf jeder Ebene der Wertkette, nur dass dieses Wissen bzw. die Informationen in der Praxis meist von einer Ebene zur anderen „verloren gehen“, einfach, weil sie nicht weitergegeben werden, ob aufgrund des offenbar weit verbreiteten Glaubens, der Endkunde interessiere sich nicht für solche Informationen, oder mangels Engagements auf der jeweils weitergebenden und/oder empfangenden Ebene. Ein Blick auf Beispiele in der wirklichen Welt, ob nun physischer Teeladen oder Online-Teeshop, zeigt, dass detaillierte Informationen über einen zum Verkauf angebotenen Tee sehr viel eher die Ausnahme als die Regel sind und hier in der Tat ein gewaltiges Potential für Verbesserung besteht.

Bei SiamTee und im Siam Tee Shop scheuen wir keinen Aufwand, um zu versuchen, so viele Informationen über einen Tee zu sammeln, wie es uns nur irgend möglich ist, und dieser Ansatz spiegelt sich sowohl hier im Siam Tee Blog als auch auf den einzelnen Produktseiten im Siam Tee Shop. Was unsere Thai-Tees betrifft, glaube ich, dass wir – mit meiner dauerhaften Präsenz vor Ort und der direkten Zusammenarbeit mit praktisch einem einzigen ausgewählten Produzenten-Partner in Doi Mae Salong dem selbstgewählten Ideal, jeden Tee und seine relevanten Informationen so nachverfolgbar wie möglich zu halten, sehr nahe kommen, indem wir solche Informationen auf allen Ebenen erheben, aufzeichnen und über unsere Webseiten für den Teetrinker verfügbar machen. Als wir mit der Entwicklung unserer Linie chinesischer Tees ‚Große Tees Chinas‘ begannen, stießen wir jedoch sehr schnell an die Grenzen dieses Ansatzes, da wir Tees aufgrund der geographischen Distanz oft genug von Großhändlern beziehen müssen, von denen viele entweder selbst nicht über die von uns gewünschten Informationen verfügen oder kein Forum pflegen, über das sie diese an uns weitergeben würden, sei es aus persönlichem Desinteresse, aus Gründen des Schutzes der eigenen Quellen oder einfach aus Scheu vor dem damit verbundenen Aufwand. Wir haben daher begonnen, chinesische Produzenten und Großhändler gezielt nach deren Fähigkeit auszuwählen, uns Informationen über ihre Tees zu liefern, die über den bloßen Preisbetrag, eine Herkunftsregion und eine mehr oder weniger subjektive Qualitätseinstufung („Premium“, „Imperial“m „Nonpareil“) hinausgehen.

Zum Abschluss dieser Gedanken über einen holistischen oder ‚Qi‘-Ansatz an der Wert von Tee, würde ich diesen gerne in einen weiteren Kontext stellen und auf den Konsum von Produkten im Allgemeinen anwenden. Meine auf eigener Erfahrung, Beobachtung und logischer Deduktion gründende These lautet: „Wert ersetzt Masse, Masse ersetzt Wert“. Die herrschende Wirtschaftstheorie macht quantitatives Wachstum („Masse“, „Zahlen“) zu einem Imperativ für das Funktionieren einer Volkswirtschaft und das Wohlergehen der in ihr lebenden Individuen. Dies mag in den vergangenen 50-100 Jahren – mehr oder weniger – funktioniert haben, aber das tut es jetzt ganz offensichtlich nicht mehr. Tatsächlich haben die vergangenen 50-150 Jahre des Strebens nach quantitativem Wachstum, obwohl nur eine sehr kurzer Zeitraum gemessen an der gesamten Menschheitsgeschichte, es geschafft, unsere natürliche Umwelt und unsere sozialen und politischen Systeme an den Rand des Kollapses zu bringen, und in einigen Fällen bereits darüber hinaus. Während das Weltklima sich mit exponentieller Beschleunigung in Richtung Katastrophe entwickelt, mit schmelzenden Polen, sich ausdehnenden Wüsten und einer ständig steigenden Häufigkeit klimabedingter Naturkatastrophen, wächst die Weltbevölkerung – und damit das Volumen an konsumierten Produkten, produziertem Müll und unwiederbringlich ausgebeuteten natürlichen Ressourcen – sowie der Grad an Zerstörung unseres Habitats Erde und seines ökologischen Gleichgewichts auf täglicher Basis. Kriege werden begonnen und ausgefochten nicht mehr über Interessenkonflikte, sondern zunehmend nur, um die Nachfrage nach Waffen und damit deren Produktion zu steigern, um Wachstum in dieser Branche zu erzeugen (Stichwort hier: welchen Wert haben Waffen? Nach dem hier dargestellten holistischen Wertansatz nämlich gar keinen). Zynisch genug, nicht wahr? Ein beträchtlicher Teil der auf der Erde lebenden Menschen haben nicht genügend zu essen, kein sauberes Trinkwasser und keinen Zugang zu den substantiellsten Mitteln der Grundversorgung wie Unterkunft, medizinische Versorgung, usw. Und selbst in den reichsten Teilen der Welt, wo Konsum-Levels mit jeder Messung neue Rekordwerte erreichen, haben wir einen Punkt erreicht, an dem die meisten Leute es für recht wahrscheinlich halten, dass diese Welt bereits in naher Zukunft, also bereits für die eigenen Kinder und Kindeskinder, kein lebenswerter Ort mehr sein wird. Mit anderen Worten, wir haben einen Punkt erreicht, an dem dieser (quantitative) Wachstumsimperativ kurz davor ist, sowohl den Planeten als auch seine Einwohner zu töten, oder die Wahrscheinlichkeit hierfür doch zumindest beängstigend hoch ist.

Der Vorschlag eines holistischen oder „Qi“-Ansatzes an Wert, sei es der von Tee oder anderen Produkten, bedeutet effektiv die Bewerbung und Unterstützung eines qualitativen Wachstumsansatzes unter gleichzeitigem Ignorieren (bzw. sogar ausdrücklicher Ablehnung) des Rufs nach (noch) mehr Masse. Die Beurteilung von Produkten anhand ihres wahren Werts anstelle von nicht aussagekräftiger Zahlen oder einzelner wenig aussagekräftiger oberflächlicher Indikatoren würde ein Feedback durch die gesamte Wertkette senden, das einen höheren Grad an Detailbewusstsein auf allen Produktionsebenen sowie insgesamt geringere Mengen (insbesondere bezüglich qualitativ minderwertiger Produkte) bei steigender Qualität zur Folge hätte. Meiner Meinung nach wäre ein solcher Ansatz ein wesentlicher Bestandteil eines möglichen Weges aus der Krise.

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