Die alte Teestraße – von Yunnan und Sichuan nach Bengal und Tibet
Der Sichuan-Tibet „Highway“, Teil der alten Teestraße / Tee-Pferde-Straße nach Lhasa
Die historische Tee-Pferde-Straße, auf Chinesisch chama gudao (chin: 茶马古道), häufig auch einfach ‚Teestraße‘ genannt, ist einer der bedeutendsten Meilensteine in der Handelsgeschichte Asiens, insbesondere Chinas, mit historischen Auswirkungen auf den gesamten Welthandel. Eine besondere Rolle spielte sie jedoch für die frühe Verbreitung von Tee über die Grenzen Chinas und Asiens hinaus. Wegen der teilweisen Überlagerung – sowohl geographisch als auch zeitlich – mit der bekannteren “Seidenstraße” (englisch: Silk Road) wird sie gelegentlich auch als “Südliche Seidenstraße” bezeichnet.
Routen und Verästelungen der alten Teestraße von Yunnan und Sichuan nach Lhasa in Tibet; Quelle: Wikipedia
Die Teestraße, weniger eine Straße im eigentlichen Sinne als vielmehr eine Handelsroute, verband die südchinesische Provinz Yunnan und deren Teeanbaugebiete (darunter Pu Erh und Xishuangbanna) über Burma, Indien und Nepal mit Bengal und Lhasa in Tibet. Ein weiterer Zweig der Route mit Ursprung in Sichuan sorgte darüber hinaus für den Anschluss auch dieser nördlich von Yunnan gelegenen chinesischen Provinz an die Tee-Pferde-Straße. Der lebhafte Handel auf dieser Route und der niemals versiegende Strom in beiden Richtungen auf ihr reisender Karawanen prägten das Bild der die Teestraße säumenden Städte und Siedlungen über ein Jahrtausend lang.
Teeplantagen in Xishuangbanna, Yunnan, China
Ihren Namen hat die Tee-Pferde-Straße von den zwei den Handel auf ihr dominierenden Gütern, welche auch den ursprünglichen Grund für die Etablierung der Route markieren: Pu Erh Tee aus Yunnan und Pferde aus Tibet. Während letztere in China – hauptsächlich für militärische Zwecke – sehr gefragt waren, erfreute sich Tee in Tibet angesichts des dort herrschenden kalten und rauen Klimas nicht nur als heißes Genussmittel höchster Beliebtheit, sondern wurde von den Einwohnern des Himalaya-Staates auch als Kompensation der dort üblichen fettreichen Ernährung (z. B. zum Ausgleich des Cholesterinspiegels) benötigt. Da Tee in Indien erst während des 19. Jahrhunderts eingeführt wurde, war Yunnan für die in Nepal und Tibet lebenden Menschen die am nächsten gelegene Bezugsquelle und die Teestraße der einzige Versorgungsweg. In der jüngeren Geschichte der Tee-Pferde-Straße wurde Lhasa vorübergehend zu einem Drehpunkt des Versands von Pu Erh Tee in Länder überall auf der Welt.
Skulptur zum Gedenken an die Tee-Pferde-Straße in Chengdu, Sichuan
Was in der Theorie nur wie ein weiteres Datum der historischen Weltwirtschaftsentwicklung klingt, war in der Praxis eine der größten Herausforderungen der Handelsgeschichte. Händler auf der Tee-Pferdestraße sahen sich einer Wegstrecke von fast 4000 km gegenüber, die durch einige der harschesten Terrains und extremsten Klimate der Welt führte, reichend von der Hitze der chinesischen Tiefebenen bis zur klirrenden Kälte des tibetanischen Hochlands. Gigantische Hürden, wie die Überquerung einiger der größten Ströme (die Flüsse Yangtze, Mekong und Salween) und höchsten Gebirge (südliche Ausläufer und Teile des Himalaya) der Welt machten die Reise auf der Teestraße für die Händler zu einer historisch beispiellosen Strapaze.
Skulptur zum Gedenken an die alte Teestraße in Sichuan
Der gesamte Weg war zu Fuß zu bewältigen, denn die mitgeführten Maultiere und Pferde dienten vornehmlich als Lastentransportmittel, deren Kapazität – ca. 90kg Pu Erh Tee in der heute noch bekannten, zu Fladen oder Ziegeln gepressten Form pro Tier – es so umfassend wie irgend möglich auszunutzen galt. Wie die entlang der alten Tee-Pferde-Straße in Sichuan zu deren Gedenken aufgestellten steinernen Statuen belegen, scheuten die Händler sich nicht, auch ihr eigenes menschliches Lastpotential, bzw. das für diese harte Arbeit sicherlich nur kärglich bezahlter Träger, bis an die Grenzen auszuschöpfen. Zu den körperlichen Entbehrungen und natürlichen Hürden, mit denen die Reisenden auf der Teestraße sich konfrontiert sahen, gesellte sich die ständige Bedrohung durch Banditen, die von dem verheißungsvollen Versprechen reicher Beute angezogen wurden.
Vergleichsweise sanft beladene Maultiere auf einem alten Teestraßen-Trail in Nepal
Es ist ein naheliegender Schluss, dass die mit der Tee-Pferde-Straße verbundenen Transportanforderungen für die Entstehung der für Pu Erh Tee traditionell typischen und bis heute gebräuchlichen Form gepresster Fladen, Kuchen oder Ziegeln zumindest mitverantantwortlich und die besonderen, in gepresstem Pu Er Tee stattfindenden und sich auf dessen Geschmack auswirkenden Reifungsprozesse hierdurch erst entdeckt wurden. Durch die Pressform wird der Tee leichter stapelbar und es können aufgrund der so erzielten Platzeinsparung im Vergleich zu losen Blättern mit den beschriebenen limitierten Kapazitäten größere Mengen transportiert werden, ein Aspekt, der für den Transport des Tees auf der Teestraße im Sinne eines optimierten Verhältnisses von Input zu Ertrag sicherlich nicht unerheblich war.
Klassischer Pu Erh Tee Ziegel, optimal stapelbar für optimierte Transportkapazitäten
Ein ganzes Jahr benötigte eine Karawane, um Tee von Yunnans Anbauzentren Pu Erh oder Xishuangbanna bzw. aus Sichuan nach Lhasa zu bringen, auf dem dortigen, heute berühmt-berüchtigten Pferdemarkt Pferde einzukaufen und mit diesen den Rückweg zu ihren Familien zu bewältigen. Wegen Mangels an alternativen Einkommensquellen, folgte oft genug bereits kurz nach ihrer Rückkehr der erneute Aufbruch zu einem weiteren Jahr entbehrungsreicher Reise auf der Teestraße.
Über die alte Brücke an der Teestraße zwischen Dali und Lijang zogen einst zahllose Karawanen
Die Tee-Pferde-Straße, mit ihren zahllosen durch sie verbundenen Ethnizitäten, Sprachen, Traditionen und Religionen, hat ihren Stempel auf jedem Menschen hinterlassen, der je auf ihr seinen Lebensunterhalt verdiente oder sein Glück suchte, und nicht jeder davon erreichte sein Ziel und kehrte gesund nach Hause zurück. Viele der Händler und Träger auf der Tee-Pferde-Straße ließen sich irgendwann in ihrem Leben an einem Punkt entlang des Weges nieder, um ein mit dem Handelsverkehr auf der Route in Verbindung stehendes Gewerbe zu betreiben, zum Beispiel durch Bereitstellung von Unterbringung, Bewirtung und Verpflegung oder in Form von Dienstleistungen betreffend Pferde, Maultiere und Ausrüstung. Die Herbergen entlang der alten Teestraße, sog. Caravanseraien, waren Schmelztiegel der verschiedensten Rassen, Kulturen und Gewerbe, und die resultierenden multiethnischen Populationen prägen die Gebiete entlang der Route bis in die heutige Zeit.
Tibetisches Dorf an der alten Tee-Pferde-Straße in Sichuan
Erst in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Karawanen angesichts der Einführung moderner Transportmittel wie Zügen und Lastwagen, ständig verbesserten Straßen- und Schienennetzen und nicht zuletzt des Flugverkehrs, immer spärlicher, bis sie schließlich ganz ausblieben und die Route ihre Schlüsselfunktion für den innerasiatischen Handel sowie für den weltweiten Teehandel verlor. Obwohl einzelne Abschnitte der Tee-Pferde-Straße nach wie vor für den regionalen Handel genutzt werden, ziehen heute keine Karawanen mehr von Yunnan oder Sichuan nach Lhasa, und die Caravanseraien sind verschwunden oder wurden in Hotels, Restaurants, Museen oder Touristenattraktionen umgewandelt.
Ancient Phoenix Competition Grade Shu Pu Erh Tee im Siam Tee Shop – Pu Erh Tee in Disk-Form
Angesichts moderner Transportmittel und -Dienste, die praktisch jeden beliebigen Ort auf der Erde miteinander verbinden, kann man sich heute kaum noch vorstellen, dass die große Zeit der alten Teestraße nicht einmal einhundert Jahre her ist. Tatsächlich gelingt es Journalisten, Hobbyfilmern und Abenteuerreisenden auf den Spuren der alten Handelsroute aber immer wieder, noch lebende Personen ausfindig zu machen, die heute 80 oder 90 Jahre alt sind und die einst auf der alten Tee-Pferde-Straße ihr Auskommen hatten. Sie erzählen uns die Geschichten aus alter Zeit, und ihnen haben wir es zu verdanken, dass die besten davon lebendig geblieben sind, zumindest in unserer Erinnerung.
Potala-Palast in Lhasa, Tibet
Der Handel auf der alten Teestraße mag verschwunden sein, aber den schon zu ihrer Zeit so begehrten Pu Erh Tee, dessen Nachfrage im fernen Tibet und später in der übrigen Welt diese Handelsroute einst überhaupt erst ins Leben rief, gibt es noch heute, und bis heute wird er in Yunnan vielerorts noch genauso geerntet, verarbeitet und gepresst wie zu Hochzeiten der Tee-Pferde-Straße. SiamTee hat einige der feinsten Spitzen-Pu Erh’s für Sie ausgesucht und im Siam Tee Shop erhältlich gemacht. Holen Sie sich den Geschmack der Jahrtausende in Ihre Teekanne!
Ancient Phoenix Competition Grade Shu Pu Erh Tee – Discs (9 x 11g)
Ein wirklich toller Beitrag! Mir war gar nicht bewusst, welche lasten ein Maultier oder Pferd in der damaligen Zeit transportieren musste.
Pingback : Deckel auf oder zu, Die alte Teestraße, Teekonsum und Musik - Links der Woche - Puer-Tee
Danke für den tollen Beitrag. Finde das Thema Tee und dessen Auswirkungen sehr interessant. Mir war jedoch auch nicht klar, dass damals so viel Aufwand für Tee betrieben wurde.
Mit freundlichen Grüßen
Tobi