Die Teegärten von Ban Hin Taek – Schwerter zu Pflugscharen?
Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass Ban Hin Taek, das heute offiziell Ban Thoed Thai heißt, mehr ist als ein Flecken bunt zusammengewürfelter menschlicher Ansiedlungen in der Mitte von Nirgendwo, genauer gesagt in der Berglandschaft des Grenzgebietes zwischen Nordthailand und Burma, auf thailändischem Boden ca. 25 km nördlich von Doi Mae Salong. Ban Hin Taek ist jedoch mehr als das, viel mehr…
Was mich ursprünglich auf den Ort aufmerksam machte, waren Erzählungen von ausgedehnten Teegärten, die es hier gebe. Die durch die so geweckte Neugier motivierte Google-Suche brachte nicht nur die Bestätigung dieser Gerüchte, sondern auch Informationen über einen geschichtlichen Hintergrund des Ortes, der zumindest in Thailand beispiellos sein dürfte: von 1976 bis 1982 diente Ban Hin Taek Khun Sa, dem berüchtigtsten Kriegsherrn und Drogenbaron des Goldenen Dreiecks und über lange Jahre Amerikas Public Enemy No. 1, und seiner Mong Tai Army, als Hauptquartier und Operationsbasis, eine Geschichte, deren Implikationen und Auswirkungen den Ort bis heute maßgeblich prägen. Im Schutze der thailändischen Hoheitsgewalt bildete Khun Sa, militärischer Führer, Drogenhändler und Diplomat gleichermaßen, hier nicht nur die Rekruten seiner Armee für den Kampf in den Shan-Staaten aus, sondern nutzte den Ort auch als eigenen Hauptwohnsitz, als Rückzugsgebiet für seine Truppen und als Knotenpunkt für den Drogenhandel im Goldenen Dreieck, in dem Khun Sa laut amerikanischen DEA-Quellen über etwa zwei Jahrzehnte eine maßgebliche Rolle als Organisator und Hauptprofiteur spielte.
Nun, ausschlaggebend für meine Entscheidung, dem Ort einen Wochenendbesuch zur eingehenderen Erkundung abzustatten, waren letztlich dennoch vor allem die Geschichten von besagten Teegärten sowie die Fotos von solchen, die ich auf der Webseite des Golden Triangle (GT) Rider gefunden hatte. Die Gegebenheiten des Ortes selbst, sowie der Umstand, dass mein Begleiter ein Angehöriger der Hilfsorganisation Between Borders war, die in diesem Gebiet mit Vertretern des Shan-Volkes zugunsten von Maßnahmen zur Unterstützung von Kriegsopern, Flüchtlingen Vertriebenen aus den Shan-Staaten zusammenarbeitet, sorgten allerdings dafür, dass meine Perspektive auf diesen Ort nicht auf Teegärten beschränkt bleiben sollte.
“Ban Hin Taek” vs. “Ban Thoed Thai”
Eine Frage, die sich dem Besucher ob der omnipräsenten Co-Existenz zweier verschiedener Ortsnamen geradezu aufdrängt, ist die die nach dem Warum hierfür. Wissend um die Geschichte der beiden unterschiedlichen geläufigen Ortsnamen für Doi Mae Salong (offizieller thailändischer Name: Santhikiri) hatte ich allerdings bereits eine Vorstellung, die sich dann auch als zutreffend erweisen sollte. Hin Taek (= Gespaltener Stein, aufgrund des großen, in zwei Teile gespaltenen Steins im Bett des das Dorf durchfließenden kleinen Flusses) ist der eigentliche und ursprüngliche Name der von Angehörigen des Akha-Bergstammes Anfang des 20. Jahrhunderts gegründeten Siedlung, und es ist der Name, der (wie im Falle Doi Mae Salongs) für die Bewohner des kleinen, 3000 Einwohner zählenden Städtchens und der umliegenden Ansiedlungen auch heute noch selbstverständlich ist. Thoed Thai (= „Zur Ehre Thailands“) ist der Name, den thailändische Behörden dem Ort gegeben haben, um ein Zeichen für das Ende von dessen „separatistischer“ Vergangenheit und Zugehörigkeit zu Thailand zu setzen. Da sich dieser Name aber bei der regionalen Bevölkerung nicht durchgesetzt hat, werden auch wir in unseren weiteren Ausführungen dem Volksmund folgen und den Namen „Hin Taek“ verwenden.
Ankunft in Ban Hin Taek
Am besten erreichbar ist Ban Hin Taek von Mae Chan / Ban Pasang über die Straße nach Doi Mae Salong. Selbige gabelt sich etwa 12 km vor Doi Mae Salong, wo man rechts abbiegt, um auf einer der panorama-intensivsten Strecken von ganz Nordthailand über eine Distanz von 13 km nach Hin Taek zu gelangen. Von einem hoch gelegenen Pass aus sieht man bei Tag bereits einige Kilometer vor unserem Ziel auf eine Reihe verstreuter Siedlungen hinunter, von denen die größte und zentralste Ban Hin Taek ist. Nachdem unser Zeitplan für die Anreise sich jedoch als unrealistisch herausgestellt hatte, sehen diese selbige lediglich als Ansammlungen von Lichtpunkten, da wir die letzten 20km unserer Fahr im Dunkeln zurücklegen. Auch die landschaftlichen Schönheiten unseres „Anfahrtsweges“ müssen wir uns daher für die Rückreise aufheben. Während die Ortschaft selbst nach offiziellen Angaben nur etwa 3000 Einwohner zählt, wird das direkte, überwiegend aus von Shan, Yunnan-Chinesen und den Angehörigen verschiedener Bergvölker bewohnten Dörfern bestehende Einzugsgebiet mit etwa der 10-fachen Einwohnerzahl beziffert.
Das Rim Taan Resort
Aus Online-Quellen hatte ich von einem Guest House / Resort, dem Rim Taan Resort erfahren, welches allgemein einen guten Ruf zu genießen schien und das auch meinem Begleiter von Between Borders von früheren Besuchen bekannt war. Das Resort besticht mit idyllischer Flussuferlage und äußerst günstigen ($US12,00/Übernachtung) Preisen für ordentliche Bungalows, die über die nötigen Einrichtungen (Bett, WC, Dusche) hinaus mit einem gewissen Luxus (TV, Wireless Internet) aufwarten. Um bösen Überraschungen vorzubeugen, hatten wir daher wenige Tage vor unserer Anreise telefonisch ein Zimmer dort reserviert.
Die böse Überraschung bleibt uns zunächst trotzdem nicht erspart: obwohl das Resort ganz offensichtlich praktisch leer steht, stuft man uns offenbar in eine Kategorie weniger erwünschter Besucher ein und erzählt uns bei unserer Ankunft zunächst, unserer Reservierung sei wohl irrtümlicherweise nicht berücksichtig worden und das Resort für diese Nacht bis auf die letzte Hütte ausgebucht. Angesichts der fortgeschrittenen Stunde und Dunkelheit verwerfe ich meinen ersten Gedanken, nach Doi Mae Salong zurückzufahren und dort nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu suchen, gleich wieder, und wir beschließen, stattdessen den vagen Hinweisen eines Resort-Angestellten auf andere Unterbringungsmöglichkeiten in Ban Hin Taek zu folgen. In der folgenden Stunde gelangen wir auf diese Weise in den fragwürdigen Genuss eines umfassenden Überblicks über alle „Unterbringungsangebote“ des Ortes, welche sich eher als eine Art „Notunterkünfte“ erweisen, angesichts deren wir uns des Eindrucks nicht erwehren können, dass sie alle noch Relikte aus einer Zeit sind, in der das Dorf Shan-Soldaten aus dem Kampfgebiet jenseits der Grenze als Herberge und Rückzugsgebiet diente.
Die Verbindungen meines Begleiters zu besagten örtlichen Vertretern der Shan-Organisationen sollten sich nun als unsere Rettung erweisen: nachdem wir uns telefonisch mit einer meinem Begleiter bekannten Shan-Aktivistin, die verspricht, sich um eine Unterkunft für uns zu kümmern, an unserem ursprünglichen Ziel, dem Rim Taan Resort verabreden, wendet sich das Blatt. Angesichts unserer Fürsprecherin setzt sich offenbar die Erkenntnis durch, dass es sich bei uns doch nicht – wie wohl ursprünglich angenommen – um Backpacker-Touristen auf der Suche nach einer möglichst genuinen Opium-Erfahrung handelt, sondern vielmehr um Besucher mit vergleichsweise legitimen Absichten, und „John“, der nun wie ausgewechselte Betreiber des Resorts, selbst ein Shan, empfängt uns mit einer Litanei von Entschuldigungen und lässt uns unverzüglich zwei Bungalows zuweisen. Wie sich später zeigt, stehen tatsächlich praktisch alle benachbarten Bungalows in dieser Nacht leer. Insgesamt empfanden wir unseren Aufenthalt im Rim Taan Resort als angenehm: zwar entpuppte das Guest House sich als eine Service-Wüste (z. B. kein Frühstück oder anderes Essen sowie echte Schwierigkeiten, bei Bedarf ein Mitglied des Personals ausfindig zu machen), dennoch machte es diesen Mangel durch seine idyllische Lage am Fluss und die allgemeine Freundlichkeit des Personals wett.
Das Ting Ting Restaurant
Problem eins gelöst. Problem zwei: Nahrungsaufnahme, in diesem Fall Abendessen. Direkt neben dem Rim Taan Resort liegt das ebenfalls bereits internetkundige Ting Ting Restaurant. Mit Freude nehme ich die vor dem Restaurant die Straße säumenden roten Papier-Kugellampen mit aufgedruckten Drachenmotiven zur Kenntnis, ein eindeutiges Zeichen für die chinesische Identität der Speiselokalität: hier stehen die Chancen gut, dass ich am Ende dieses Tages doch noch zu meinem lang ersehnten Kännchen Tee kommen werde. Und siehe da, auf Anfrage wird mir auch unverzüglich eine duftende Kanne Oolong-Tee serviert und meine angesichts unseres zunächst eher ungastlichen Empfangs weit in den roten Bereich gekippte Stimmung nimmt unverzüglich eine Wendung zum Positiven. Schwieriger gestaltet sich das Essen selbst: die Speisekarte, eine Liste chinesischer kulinarischer Standards, ist nur in thailändischer und chinesischer Sprache erhältlich, was das Bestellen zumindest für uns, die wir beider Sprachen in Schriftform nicht mächtig sind, stark erschwert. Meine mündlichen Kenntnisse der Thai-Sprache und die Unterstützung der erwähnten Bekannten meines Begleiters helfen uns zwar ein wenig hierüber hinweg, dennoch bestellen wir letztlich eine Reihe von Gerichten, von denen wir nicht wirklich wissen, was es eigentlich ist. Wir werden angenehm überrascht und „Schwarzes Hühnchen Yunnan-Art“, „gebratener Spinat“ und ein gemischter chinesischer Gemüseteller erweisen sich als echte Leckerbissen.
Ban Hin Taek
Ban Hin Taek gilt als das erste, im Jahr 1903 gegründete Akha-Dorf auf thailändischem Boden. Der Bergstamm der Akha repräsentiert daher bis heute eine der stärksten Bevölkerungsgruppen des Ortes. Ein Besuch des lokalen Marktes und ein Spaziergang durch das abendliche Hin Taek offenbaren sehr deutlich die ethische und Vielfalt des Ortes: Akha und andere Bergstämme, Shan und Chinesen pflegen alle ihre eigenen kulturellen Identitäten, die sich hier zu einem multikulturellen Schmelztiegel verbinden. Obwohl das Gerücht umgeht, der größte Teil des lokalen Wohlstandes sei während der Jahrzehnte erworben worden, in denen Ban Hin Taek unter dem Einfluss Khun Sas ein Knotenpunkt des Drogenhandels im Goldenen Dreieck war, wird doch deutlich, dass der Ort auch über eine reiche Vielfalt an anderen landwirtschaftlichen Produkten verfügt: neben einer Reihe lokaler Feldfrüchte, Kräuter und Gewürze, für die ich keinen deutschen oder englischen Namen weiß, werden im Umland von Hin Taek traditionell große Mengen an Tomaten, Mais, Zwiebeln, Knoblauch, Kartoffeln, verschiedenen Obstsorten sowie in jüngster Zeit auch Tee, produziert, die allgemein einen Ruf höchster Qualität genießen. Der lokale Markt ist darüber hinaus Spiegel eines umfangreichen, großenteils legalen grenzüberschreitenden Handels mit Produkten aus Thailand, Burma (heute: Myanmar) und China, eine weitere Quelle des für einen Ort wie Ban Hin Taek eher ungewöhnlichen Wohlstands.
Es wird außerdem deutlich, dass Khun Sa, ganz allgemein eine umstrittene Figur, von den einen als Held verehrt, von den Anderen als skrupelloser Verbrecher bezichtigt, nicht nur Schlechtes nach Hin Taek gebracht hat, sondern sich mit der Finanzierung von Schulen, Gesundheitszentren und anderer Einrichtungen das Ansehen eines lokalen Wohltäters erworben hatte. Bei der einheimischen Bevölkerung verdiente er sich auf diese Weise gar die Bezeichnung als „chao oo“, was in der Shan-Sprache so viel heißt wie „Vater“.
Auch die religiöse Prägung des Ortes spiegelt den multikulturellen und multi-ethnischen Charakter des Ortes wieder: neben im Shan-Stil sowie im thailändischen Stil erbauten buddhistischen Tempeln findet sich hier auch eine Moschee, ein großer chinesischer Tempel sowie eine von christlichen Missionaren erbaute und betriebene Kirche, von denen letztere wohl eher weniger repräsentativ für die kulturellen Wurzeln der hier heimischen Kulturen ist. Zu diesen gesellt sich der von animistischen Anschauungen geprägte Glaube der ansässigen Bergvölker, namentlich der Akha, Muser (Lahu) , Yao, Lisor, Hmong (Meo).
Das Erbe Khun Sas prägt bis heute einen nicht unbeträchtlichen Teil des sozialen Lebens in Ban Hin Taek: viele Angehörige des militärischen wie des politischen Flügels der Shan-Interessenvertretungen sind hier nach wie vor zuhause bzw. nutzen den Ort als Wohnsitz, Operationsbasis und sicheres Rückzugsgebiet.
Teeanbau in Ban Hin Taek
Während unserer Erkundung von Markt und des Dorf am Abend unserer Ankunft sowie am nächsten Morgen kristallisiert sich schnell heraus, dass der existierende Teeanbau in Ban Hin Taek eine klare Domäne des chinesisch-stämmigen Bevölkerungsanteils ist. Die Frage, wo man Teegärten finden könne, wird von den vielen Befragten mit einem Schulterzucken, von anderen mit eher vagen Andeutungen beantwortet. Weiter bringt mich schließlich ein Gespräch mit dem Betreiber unseres Resorts, der mir auf meine Frage, wo ich denn wohl fotogene Teegärten fände, rät, dem Feldweg hinter dem örtlichen Khun Sa Museum zu folgen. Nach wenigen Kilometern fände ich dort die Teegärten eines reichen Koreaners, der sich bis zu seinem Tod im Jahr 2012 deren Aufbau, Pflege und Bewirtschaftung gewidmet habe.
Während ich – aufgrund der ethnisch-kulturellen Vielfalt des Ortes – eigentlich gehofft hatte, hier auf die Erzeugung von Tee, insbesondere schwarzen Tees, zu stoßen, der außerhalb des gewohnten Spektrums des nordthailändischen Tee-Portfolios angesiedelt sei, stellte sich beim Besuch einschlägiger Verkaufsstände und Geschäfte des lokalen Marktes heraus, dass es neben der einheimischen, in Baumform wachsenden Assamica-Spezies, die in Nordthailand per Standard zu grünem Tee und Oolong-Tee (selten: schwarzer Tee) verarbeitet wird, bisher lediglich der taiwanesische Jin Xuan Nr. 12 Kultivar bis nach Ban Hin Taek geschafft hat.
Das Khun Sa Museum
Nach einem fehlgeschlagenen, von der DEA / CIA geplanten Attentat auf Khun Sa startete die thailändische Armee unter dem politischen Druck der USA, sowie ganz allgemein zugunsten eines verbesserten internationalen Ansehens bezüglich Thailands Rolle im internationalen Drogenhandel, im Januar 1982 eine militärische Offensive auf Ban Hin Taek, die in der Vertreibung Khun Sas und seiner Armee an einen Ort jenseits der burmesischen Grenze resultierte. Trotz der nur 6-jährigen Herrschaft Khun Sas über das Gebiet diesseits der Grenze wurde Khun Sa nach seinem Tod im Oktober des Jahres 2007 in Yangon, Burma, hier mit einer aufwändigen Zeremonie bestattet. Wohnsitz und Armee-Camp des einstigen Kriegsherr und Drogenbarons wurden zu einem Museum umgewandelt, dem sogenannten Khun Sa Museum.
Die eher unreflektierte Darbietung der Räumlichkeiten des ehemaligen Army-Camps, einer langen Reihe von Bildtafeln, auf denen neben der allgemeinen Shan-Tradition und -Kultur der politische und militärische Kampf Khun Sas um einen unabhängigen Shan-Staat gänzlich unkritisch dargestellt wird, und einer Reihe persönlicher Gegenstände des einst so mächtigen militärischen Führers, legt nahe, dass es sich bei den Betreibern des notdürftig aus Besucherspenden finanzierten Museums um Anhänger bzw. Verehrer des Verstorbenen handelt.
Nicht uninteressant sind die Darstellungen aus der Geschichte der Shan und ihrer königlichen Dynastien, aber ohne die erläuternden Kommentare unserer orts- und sachkundigen Führerin, besagter Shan-Kämpferin und Feldkrankenschwester, die uns bereits zu unserer Unterkunft verholfen hatte, würde uns der informative Gehalt der Darbietungen wohl weitgehend verschlossen bleiben.
Es ist offensichtlich, dass das Museum von offizieller thailändischer Seite nicht gefördert wird, was angesichts des historischen Potentials des Gegenstands des Museums sehr bedauerlich ist. Es fehlt an touristischer Infrastruktur, Texten zur Erklärung der vorhandenen bildlichen und architektonischen Exponate und offenbar auch an Kräften zur Reinigung und Instandhaltung derselben sowie der Anlage als solchen.
Die Teegärten von Ban Hin Taek
Wir erklären unserer Führerin unseren Plan, besagtem Feldweg zu den besagten Teegärten zu folgen und fragen sie nach dem Weg, welchen sie uns auch zeigt, allerdings verbunden mit dem deutlichen Hinweis, dass sie uns dorthin nicht begleiten würde. Aus Gründen, die für uns nicht nachvollziehbar sind und die möglicherweise mit den verschiedenen hier ansässigen politisch-militärischen Lagern zu tun haben, werden wir außerdem vor dem Besuch eines Dorfes gewarnt, das ebenfalls über diesen Weg erreichbar sein sollen. Wir glauben nicht, dass wir dort Problemen für uns begegnet wären. Trotzdem verzichten wir auf einen Besuch dieser Dörfer, nicht zuletzt deswegen, weil der Grenzverlauf in diesem Gebiet in keinster Weise definiert ist, und es bei einem keine offizielle Straße darstellenden Feldweg wie diesem daher durchaus möglich ist, dass man sich plötzlich unversehens auf burmesischem Territorium wiederfindet, ein Risiko, das wir aus verschiedenen Gründen nicht eingehen möchten. Auf der Karte beträgt die Entfernung von Ban Hin Taek zur burmesischen Grenz gerade einmal 3 km.
Eigentlich hatte ich nicht mehr daran geglaubt, hier etwas wirklich Sehenswertes aus der Welt des Tees zu Gesicht zu bekommen, aber ich sollte auf eine angenehme Art und Weise enttäuscht werden: bereits nach etwa 2 Kilometern auf dem äußerst rauen und holprigen Feldweg kommen die ersten Teegärten in Sicht. Der Information folgend, dass der koreanische Besitzer und Bewirtschafter dieser Teegärten vor etwa einem Jahr verstorben sein, hatte ich einen gewissen Grad der Verwilderung und des Zerfalls erwartet. Dies ist aber nicht der Fall. Wer immer das Erbe des Vorbesitzers angetreten hat, scheint sich dessen als absolut würdig zu erweisen: die Teegärten befinden sich in einem ausgezeichnet gepflegten und bewirtschafteten Zustand, und je weiter wir in das von ihnen okkupierte Gebiet vordringen, desto deutlicher eröffnen sich uns ihre speziellen ästhetischen Qualitäten.
Zunächst begegnen uns überall auf dem Weg mit landwirtschaftlichen Verrichtungen befasste Grüppchen von Arbeitern und Arbeiterinnen Es scheint gerade die Zeit der Maisernte zu ein.
Allerdings ist auch der diesjährige Tee-Erntezyklus jetzt, im frühen November, noch nicht ganz vorüber. Hiervon zeugen Ballen frisch geernteter Teeblätter, die am Wegesrand auf ihren Abtransport zur Teefabrik warten. Gegen Ende dieses Monats gehen die Teepflanzen dann sozusagen in die Winterpause, in welcher sie bis zum März, wenn der Tee wieder die ersten frischen Triebe treiben wird, verweilen werden.
Das großartigste Teegarten-Panorama eröffnet sich uns aber erst am Ende dieser äußerst großzügigen Teeplantage. Erst hier wird wirklich deutlich, wie viel Liebe, Leidenschaft und Vision in diese Anlage investiert wurden.
Den Abschluss bildet ein Monument im chinesischen (oder koreanischen?) Stil, dessen Bedeutung sich uns allerdings nicht wirklich offenbart. Ich äußere die Vermutung, dass es sich hierbei um das Grabmal des verstorbenen koreanischen Besitzers handeln könnte, eine These, die ich bisher aber weder bestätigen noch widerlegen konnte.
Von hier ab ist der Weg weitgehend von Gras, Büschen und Dornen überwachsen, an denen wir uns beim Durchfahren natürlich auch unweigerlich entsprechende Verletzungen zuziehen, so dass wir, auch angesichts der Befürchtung, dass es sich hier nun wohl tatsächlich bereits um burmesisches Territorium handelt, schließlich umkehren.
Schatten der Vergangenheit?
Auf dem Rückweg von den Teegärten zum Gelände des Kun Sa Museums und in den Ort legen wir einen Stopp bei einer Anlage ein, die uns auf dem Hinweg aufgefallen war und die wir auf den ersten Blick für eine Schule gehalten haben. Wie sich herausstellt, wirft hier jedoch vielmehr die Vergangenheit des Opiumanbaus und Drogenhandels in diesem Teil des Goldenen Dreiecks ihre Schatten. Bei der Anlage handelt sich um eine von einer einschlägigen christlichen Organisation gegründeten und betriebenen Entzugsklinik. Wie uns ein Mitarbeiter erklärt, gehört die Relevanz einer solchen allerdings keineswegs vollkommen der Vergangenheit an: auch heute beherbergen die unzugänglichen Territorien jenseits der Grenze noch viele Drogenlabore, in denen neben der Verarbeitung von Opium zu Heroin insbesondere moderne chemische Drogen hergestellt werden, denen insbesondere Angehörige der jüngeren Generation der regionalen Bevölkerung nur allzu leicht zum Opfer fallen.
Buddhistisches Tempelfest in Ban Hin Taek
Wie der Zufall es will, fällt das größte lokale Tempelfest von Ban Hin Taek / Therd Thai mit dem Wochenende unseres Besuches dort zusammen. Anlass ist die einmal jährlich stattfindende Weihe der buddhistischen Mönchsgewänder, bzw. der Stoffe, aus denen diese gefertigt werden. Eine wie große Bedeutung die buddhistische Gemeinde des Ortes diesem Ritual zubemisst, zeigt sich an der Tatsache, dass für die Durchführung der Zeremonie eigens eine Gruppe buddhistischer Mönche aus Bhutan angereist ist. Für das Rahmenprogramm sorgen Darbietungen lokaler Musik- und Tanzgruppen (Foto: buddhistische Mönche aus Buthan bei der Durchführung der Gewandsweihe-Zeremonie / Aufführung des Shan-„Pfauentanz“).
Abschied von Ban Hin Taek
Am nächsten Morgen müssen wir uns bereits wieder von Ban Hin Taek verabschieden und die Weiterreise nach Doi Mae Salong antreten. Beim Verlassen des Ortes entdecke ich hier und da weitere, kleinere Teegärten, die meine Neugier erneut beflügeln. Auch wenn Ban Hin Taek sicherlich nicht von zentraler Bedeutung für den Teeanbau in Nordthailand ist, glaube ich nicht, dass ich die Möglichkeiten dieses Ortes, was Tee betrifft, wirklich ausgekundschaftet habe. So sind wir beispielsweise nicht zu einem Besuch der lokalen, an die besichtigten Teegärten angeschlossenen Teefabrik gekommen. Dann würde ich gerne auch einmal die umliegenden Dörfer der verschiedenen Bergvölker besuchen und in Erfahrung bringen, welche besondere Teekultur dort jeweils herrscht, bzw. mit welchem Tee diese jeweils verknüpft ist. Und über etwaige Vorkommen wild wachsender Teebäume in dem Gebiet und deren mögliche Bewirtschaftung durch einzelne Bergstämme habe ich bei diesem Besuch ebenfalls nichts in Erfahrung bringen können.
Nun, Ban Hin Taek liegt nur 13 km abseits meines Weges nach Doi Mae Salong, so dass ich – auch wenn 13 km in den Bergen Nordthailands nicht das gleiche sind wie auf der A1 zwischen Saarbrücken und Trier – die Gelegenheit, den Ort erneut zu besuchen und den noch offenen Fragen auf den Grund zu gehen, sicherlich noch öfters ergeben wird. Darauf freue ich mich jetzt schon, trotz unseres etwas verunglückten Einstandes hier am ersten Abend, und natürlich habe ich vor meiner Abreise sichergestellt, dass ich bei meiner nächsten Reservierung im Rim Taan Resort auch tatsächlich ein Zimmer bekommen werde.
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Diesen Artikel habe ich genossen zu lesen. Sie haben sich wirklich sehr viele muhe gemacht das kann man sehen. Also für mir nach diesen Text wird Tee nicht mehr das gleiche sein. Danke vielmals.