Tie Guan Yin Oolong Tee – Qingxiang vs. Chunxiang
Tie Guan Yin Oolong Tee – TKY Qingxiang vs. TKY Chunxiang
Was uns bei den Verkostungen zu Tie Guan Yin aus Anxi County, Provinz Fujian, China, zunächst große Rätsel aufgab, war das breite Spektrum an Qualitätsstufen, sog. „Grades“, die für diesen Tee angeboten werden. Zur Verwirrung trägt bei, dass die Teebauern in Anxi hierbei offenbar auch nicht alle dem gleichen Schema folgen, sondern dass vielmehr verschiedene „Grading“-Systeme geläufig zu sein scheinen. Das von unserem Erzeuger-Partner verwendete System ist hierbei noch eines der überschaubarsten: es umfasst insgesamt 5 verschiedene Qualitätsstufen, A+, A, B+, B, sowie eine weitere, namenlose Klasse, die alles zusammenfasst, was darunter liegt. Tatsächlich empfanden wir keine der von diesem Erzeuger angebotenen Qualitäten als „schlecht“. Vielmehr ist bereits die Namenlos-Klasse ein guter Tee, wobei jede Klasse von der jeweils darüber liegenden dann noch einmal übertroffen wird. Grundsätzlich ist der Geschmack des Tie Guan Yin in allen Grades der gleiche. Unterscheidungsmerkmal ist zum einen die Intensität des unverwechselbaren honigsüßen, an Sommerblumenwiesen erinnernden Geschmacks, zum anderen die Dauer dessen Verweilens in Mund und Rachen. Aufgrund unserer Auswahlkriterien für unser Angebot an erlesenen chinesischen Tees (ganz einfach: nur das Beste vom Besten) entschieden wir uns für die Aufnahme der beiden obersten Kategorien, A (Tie Guan Yin Qingxiang) und A+ (Tie Guan Yin Chunxiang) in den Siam Tee Shop.
TKY Qingxiang (Grade A, „Delicate Fragrance“) zeichnet sich durch ein besonders ausgeprägtes, frisches Geruchsaroma aus, das den Geschmack des Tees bis auf die feinste Nuance reflektiert, während beim TKY Chunxiang (Grade A+, „Mellow Tea Class“), der Duft zwar weniger stark ausgeprägt, dafür aber in eine noch höhere geschmackliche Intensität „übersetzt“ zu sein scheint, der tatsächlich über einige Stunden auf dem Gaumen und im gesamten Mund- und Rachenraum verweilt und so beispielsweise auch als „Begleiter“ an Orte und zu Anlässen „mitgenommen“ werden kann, die den Genuss von Tee eher nicht zulassen.
Wer Kapitel 1 dieser Reihe, „Sourcing Tee in China – Der Plan + Tie Guan Yin“ gelesen hat, weiß bereits, dass Tie Guan Yin Oolong Tee eine ganze Reihe von Besonderheiten aufweist, die bei anderen Teesorten so nicht zu beobachten sind (wenn nicht, unbedingt nochmal nachlesen!). Bei der aus meiner Neugierde geborenen Recherche, wie die Unterschiede der einzelnen Qualitätsstufen beim Tie Guan Yin überhaupt zustande kommen, ergab sich ein weiteres Merkmal, das diesen Tee von vielen anderen Teesorten Chinas abhebt: den charakteristischen Lebenszyklus der Tie Guan Yin Teepflanze.
Die Tie Guan Yin Pflanze produziert den für sie typischen Tee in wünschenswerter Qualität nur bis zum Alter von etwa 8-10 Jahren. Danach graben die Teefarmer in Anxi ihre alten Tie Guan Yin Pflanzen aus, um sie durch neue, jüngere zu ersetzen. Hierfür werden die jungen Setzlinge aus Ablegern von jungen Teepflanzen in eigenen Setzlingsschulen gezüchtet, in denen der Ableger ein bis eineinhalb Jahre verbleibt, bis er zum Einpflanzen im Teegarten als Ersatz für einen alten Tee-Busch verwendet werden kann. Hieraus ergibt sich ein komplexer, unablässiger Zyklus aus Setzlingen, jungen und alten Teebüschen, der nicht nur der ständigen Aufmerksamkeit des jeweiligen Teemeisters bedarf, sondern der auch einen wichtigen Teil der Kunst des Anbaus von Tie Guan Yin Tee darstellt. Wird dieser Zyklus unterbrochen, bedeutet dies für den Erzeuger praktisch das Aus und hat so das Potential, eine über Generationen gepflegte und weitergegebene Familientradition auf diese Weise zum Stillstand zu bringen.
Den besten Tie Kuan Yin Tee liefern die Blätter der jungen Pflanzen, mit graduellem Qualitätsgefälle von Jahr zu Jahr, was das Alter der jeweiligen Teepflanze zu einem der ausschlaggebenden Faktoren für das Grading, d.h. die Qualitätseinstufung eines Tie Guan Yin Tee macht. Wie bei anderen Teepflanzen ist ein zweiter entscheidender Qualitätsfaktor die Auswahl der Blätter von einem Teestrauch: je jünger das Teeblatt, desto besser die Qualität des resultierenden Tees. Wie in oben erwähntem Artikel bereits beschrieben, werden die jungen Sprosse für Tie Guan Yin Oolong Tee nicht geerntet, da sie über zu viele Bitterstoffe verfügen, die für diesen Tee als nicht wünschenswert erachtet werden. Erste Wahl, bzw. beste Qualität sind dennoch die obersten, d.h. die jüngsten und dem jungen Trieb am nächsten gelegenen Blätter. So ergibt sich ein komplexes Grading-System, das beide Faktoren berücksichtigt: einmal das Alter des jeweiligen Teestrauchs und zum zweiten das Alter des von diesem gepflückten Teeblatts.
Folgerichtig besteht der Tie Guan Yin Chunxiang (Grade A+, Mellow Tea Class) aus den jüngsten Blättern der jüngsten Teepflanzen, während der Qingxiang (Grade A, Delicate Fragrance) zwar ebenfalls die jüngsten Blätter repräsentiert, aber von bereits ein bis zwei Jahre älteren Tie Guan Yin Pflanzen stammt. Das Ernten der entsprechenden Partien für die jeweiligen Grades in der richtigen Reihenfolge und mit dem richtigen Timing ist wie die ständige Überwachung der Entnahme von Ablegern, die Zucht der Setzlinge und das Austauschen zu alt gewordener Pflanzen gegen junge, sprich: die Kontrolle des Lebenszyklus der Tie Guan Yin Teepflanzen, ein überaus komplexes System, dessen Beherrschung eine hohe Kunst ist, die in Anxi seit Tausenden von Jahren gepflegt, weiterentwickelt und von einer Generation an die nächste weitergegeben wird.