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„Bai Yai“ – Der Alte Tee-Baum Nordthailands

„Bai Yai“ – Der Alte Tee-Baum Nordthailands

Bai Yai Assamica Tee-Baum, Doi Mae Salong, Thailand“Bai Yai” camellia sinensis assamica Tee-Baum in Doi Mae Salong, Thailand

Obwohl Nordthailand erst kürzlich, nach dem Import ausgewählter Oolong-Tee-Kultivare aus Taiwan in den 90er Jahren begonnen, sich eine Reputation für seine Tee-Produktion auf der internationalen Bühne zu verdienen, wird Tee in den Bergen des Nordens des Landes mit seinen Höhenlagen von bis zu 2000m bereits seit Jahrhunderten geerntet, produziert und getrunken. Kultiviert? Nein, kultiviert nicht. Das kommt erst viel später.

Die Camellia Sinensis Assamica Tee-Spezies wuchs und wächst wild in Form „regulärer“ Bäume in den meisten Ländern Südostasiens. Bereits zu Zeiten des alten Lanna-Königreiches pflegten die in dem Gebiet des heutigen Nordthailands ansässigen Ethnizitäten, hauptsächlich Bergstämme, die Teeblätter von den Bäumen zu ernten, die einzeln oder in losen Gruppen verstreut an einer Reihe von Orten in den nordthailändischen Bergen zu finden sind, insbesondere in den heutigen Provinzen Chiang Rai und Mae Hong Son. Obwohl jedoch alle die gleiche Art von Teeblättern pflückten, praktizierten die verschiedenen Stämme unter dem Einfluss ihrer jeweiligen Traditionen, ursprünglichen Herkunft und generationenlanger Erfahrung im Sammeln und Verarbeitung von Teeblätter voneinander abweichende Methoden der Verarbeitung derselben.

PangKahm_BaiYai_teatrees_collageWilde Assam-Teebäume, Grenze Thailand/Burma, Provinz Mae Hong Son

Obwohl die Produktion von grünem Tees in jener Zeit die vorherrschende Methode war, unterschieden sich die Verarbeitungsverfahren in den Details hinsichtlich der Trockung und des Erhitzens der Teeblätter. Besonders hervor sticht ein Verfahren, das Nachfermentierungsprozesse involviert, wie wir sie sonst nur von chinesischem Pu Erh Tee kennen und die über einen recht langen Zeitraum in die Vergangenheit zurückreichend belegt sind, zu Beispiel beim Volk der Shan (siehe Shan Tee). Diese Tees wurden von den Großfamilien und Nachbarschaften nach einem Tag harter Arbeit in den Feldern oder beim Jagen in den Wäldern, in gemeinsamer Runde um das von einer großen gusseisernen Teekanne gezierte Herdfeuer des zentralen Raums ihrer traditionellen Bambus- und Holzhütten genossen. Tatsächlich kann man diese Szene beim Besuch eines abgelegeneren Dorfes von einem der Bergstämme auch heute noch beobachten. An anderen Orten hat die Entwicklung von Straßennetzen zusammen mit der damit einhergehenden Ankunft von elektrischem Strom, Fernsehen, und in jüngster Zeit des Internets nicht nur die Erscheinung der Hütten verändert (die sich zu etwas gewandelt haben, das wir stattdessen Haus nennen würden), sondern auch die althergebrachten sozialen Bräuche, so dass das Bild von besagter Großfamilie um besagte Feuerstelle mit besagtem gusseisernen Teekessel in besagter Bambus- oder Holzhütte heute insgesamt deutlich seltener geworden ist.

Während der 60er und 70er Jahre hielt die Mohnblume ihren Siegeszug in der Region, die unter der Bezeichnung Goldenes Dreieck weltweit Berühmtheit erlangt hat, und dominierte für eine Weile auch das Bild der Landwirtschaft in Nordthailand’s Haupt-Tee-Provinz Chiang Rai, Heimat einer Reihe von in einer jungsten „Migrationswelle“ gegründeten Siedlungen, namentlich die der chinesischen Kuomintang-Armee und ihres Trosses während der 50er Jahre. Als jedoch der Anbau von Schlafmohn in den 80er Jahren zunehmend unterbunden und unter anderem Tee als eine geeignete Anbau-Alternative vorgeschlagen wurde, kehrten insbesondere die neuen chinesischen Siedler, die zuvor eine Schlüsselrolle im lokalen Handel mit Opium gespielt hatten, zurück zu jenen alten Assamica Tee-Bäumen und begannen diese auf einer kommerzielleren Ebene zu bewirtschaften und grünen Tee, sowie neuerdings auch Oolong-Tee aus den Blättern der alten, in Nordthailand heimischen Bäume zu produzieren. In und um die chinesischen KMT-Siedlungen wie beispielsweise Doi Mae Salong wurden die Teeblätter nun auch nicht mehr nur von den wild wachsenden Tee-Bäumen gepflückt, sondern man begann damit, diese zunehmend auch in Teegärten zu kultivieren. Auch für die „wilden“ Tee-Bäume ist es in Nordthailand heute Standard, sie auf einer Höhe von max. 2m zu halten, indem man sie alljährlich zurückschneidet und so die Bildung neuer Äste und Blätter fördert sowie selbige zugänglich für die Ernte hält. In den Teegärten geht die Tendenz sogar zu einem noch kürzeren Schnitt bis auf etwa 90 cm.

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“Bai Yai” Assamica Baum in einem Teegarten in Doi Mae Salong, Nordthailand

Mit der Unterstützung und unter der Schirmherrschaft des Thailändischen Königlichen Entwicklungsprojekts, wurden die Teebauern befähigt, ihren Tee auch auf einem breiteren nationalen und Teilen des internationelen Marktes zu vertreiben. Nach dem Import und der Einführung ausgewählter Taiwan Oolong-Kultivare ab Beginn der 90er Jahre haben die lokalen, aus den Teeblättern der Assamica-Bäume gewonnenen Teesorten die große Bühne mehr oder weniger an die neuen, aus den feinen und sich bereits einer internationalen Reputation erfreuenden Oolong-Tee-Kultivare gewonnenen Teesorten abgetreten. Aufgrund der verhältnismäßig großen Blätter der Assamica-Teebäume im Vergleich zu denen der Taiwan-Kultivare hat sich unter den Tee-Bauern Nordthailands die Bezeichnung „Bai Yai“ (Thai für „großes Blatt“) etabliert.

Tatsächlich denke ich manchmal, dass diese Tees vielleicht einfach zu billig sind, um sich gut zu verkaufen, und ich muss zugeben, dass ich öfters als einmal mit dem Gedanken gespielt habe, ihren Preis zu erhöhen, nur um zu sehen, ob das helfen würde. Nun, das kann der richtige Ansatz nicht sein. Diese Tees, namentlich unser ShanTee, unser DMS Bai Yai Assamica Grüner Tee, Blätter, und unser DMS Bai Yai Assamica Oolong Tee, Blätter, werden oft als „gute Alltagstees“ bezeichnet, und das ist sicherlich auch etwas, das sie sind, dennoch, nachdem ich selbst gerade erst kürzlich meine Leidenschaft für diese Tees wiederentdeckt habe, finde ich, dass das Attribut „Alltagstee“ zwar das verdiente Wohlwollen, nicht aber die verdiente Anerkennung zum Ausdruck bringt.

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Es gibt viele unterschiedlich Ansätze zur Beurteilung der Qualität eines Tees, aber einer, der in der einschlägigen Online- und Buch-Literatur praktisch omnipräsent ist, ist das Potential für eine Reihe von Aufgüssen. O-Ton ist, ‚je mehr Aufgüsse man aus einem grünen Tee oder OoIong-Tee herausholen kann, desto höher die Qualität des Tees‘. Wenn ich Nordthailands Assamica-Derivate nun an diesem Maßstab messe, so stehen sie ihren taiwanesischen Cousins tatsächlich nur wenig nach oder überfügeln diese sogar. Wenn man ShanTee auf die richtige Art und Weise zubereitet, nämlich so, wie man einen Pu Erh Tee zubereiten würde, mit sehr kurzen Aufgusszeiten, erhält man in der Tat eine praktisch nicht zählbare Anzahl von Aufgüssen. Ich habe es schon einmal bis zehn geschafft, dann habe ich aufgegeben, aber nicht, weil die Teeblätter in meiner Kanne nicht auch noch einen weiteren Aufguss hergegeben hätten, sondern vielmehr, weil ich das Gefühl hatte, genug Tee auf einmal getrunken zu haben. Ähnliches kann über den Assamica „Bai Yai“ grünen Blatt-Tee aus Doi Mae Salong gesagt werden, der selbst bei der Zubereitung im westlichen Stil mit einer Ziehdauer von 2 Minuten und mehr noch 3 – 4 vollwertige Aufgüsse produziert, von denen keiner dem vorherigen in irgendetwas nachsteht. Der DMS „Bai Yai“ Oolong Tee liegt mit 2 – 3 Aufgüssen vollen Geschmacks nur wenig dahinter.

Dann, ‚guter Geschmack – schlechter Geschmack – besserer Geschmack‘? Geschmack, könnten man sagen, Geschmack ist immer eine Frage des Geschmacks. Es ist wahr, ich denke von unseren Assamica Bai Yai Tees nicht in erster Linie als „feinen“ Tees. Vielmehr denke ich von ihnen als „ehrliche“ Tees. Sie funktionieren um einiges besser als die milden Pouchongs der Taiwan-Kultivare, wenn es darum geht, einen durch lange Arbeitsstunden zu bringen, oder wenn man das Bedürfnis verspürt, seinen Geschmacksnerven einen einfachen, aber klaren und intensiven Geschmackseindruck zu vermitteln. Wenn Leute den Geschmack dieser Tees in Worte zu fassen suchen, fallen oft Begriffe wie „erdig“ oder „grasig“, alle gruppiert um das Element Erde, ein weiterer Beleg für besagten „ehrlichen“ Charakter, den ich im Geiste immer mit diesem Tee verbinde. Tatsächlich ist es vielleicht ja sogar gerade diese Ehrlichkeit, die entscheidend zu dem Image eines „guten Alltagstees“ beitragen hat, mehr noch als die sozialen Wurzeln seines Konsums hier in Thailand oder sein vergleichsweise niedriger Preis.

Aber wenn diese Tees von „gemeinen“ Leuten wie den Angehörigen von Bergstämmen, Feldarbeitern und Menschen, die ihren Lebensunterhalt als Jäger und Sammler in den Wäldern bestritten, getrunken wurden, und wenn man sie auch heute noch praktisch aus der Portokasse bezahlen kann, macht sie das letztlich wirklich weniger wertvoll? Tatsächlich, wenn ich wie gerade in meiner Mittelklasse-Umgebung in meinem Garten in Chiang Mai sitze und eine schöne Kanne ShanTee genieße, wissend, dass die Blätterfüllung in meiner Teekanne den ganzen Abend reichen wird, habe ich tatsächlich oft das Gefühl, die Arbeit und den Schweiß der Menschen, die diesen Tee in Nordthailand zu trinken pflegten und heute noch trinken, in meiner eigenen Tasse zu spüren und auf meinem eigenen Gaumen zu schmecken. Das, denke ich, die Fähigkeit eine ganze Welt nur aus Aroma und Geschmack zu erschaffen, ist tatsächlich eine der größten Tugenden (sprich: Qualitäten), die ein Tee möglicherweise haben kann.

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