Pang Kham: Tee-Dorf im Niemandsland
Pang Kham – Tee-Dorf im Niemandsland
Wir arbeiten seit einiger Zeit an einem Projekt, das wir selbst für unser ehrgeizigstes halten: Das Projekt ShanTee. SiamTee hatte bereits eine größere Menge an Pu Errh-Style Hochland-Tee von wildwachsenden Teebäumen aus der Verarbeitung von Shan-Farmern in der Grenzregion Thailand/Burma erworben und für herrlich befunden, so dass wir nun mehr als gespannt darauf waren, Ort und Gegebenheiten sowie Methode und Umstände des Tee-Anbaus dort vor Ort zu erkunden. Sowohl die Lokalität als auch die mit ihr verbundene Shan-Tradition der Tee-Kultivierung und -Verarbeitung sollte eine Reihe von Überraschungen für uns bereithalten.
Pang Kham liegt in der nord-thailändischen Provinz Mae Hong Son, nur 2 oder 3 km entfernt von der Grenze zu Burma in den Bergen. Auf der folgenden Karte denke man sich einen Punkt etwas westlich von Doi Mae Salong.
Die Bewohner sind ethnische Shan, welche die Region diesseits wie jenseits die Grenze seit langer Zeit bevölkern. Was wir bereits wussten war, dass dort eine heimische Tee-Spezies kultiviert wird, welche die Shann zu einem wohlschmeckenden Pu Errh Style Tee verarbeiten.
Es war von Anfang an unser Ziel, Tee aus Pang Kham Kham in unser Angebot bei SiamTee aufzunehmen, aber um dieses Ziel zu erreichen, mussten viele Interessen berücksichtigt und unter einen Hut gebracht werden. Mit tatkräftiger Hilfe der in dieser Region tätigen deutschen Hilfsorganisation „Helfen ohen Grenzen“, die sich darauf spezialisiert hat, die Not der Shan-Flüchtlinge aus Burma zu lindern, und des Shan Health Commitees haben wir es nun geschafft. Beiden Organisationen, welche entscheidend an der Initiative und der Entwicklung eines noch jungen Tee-Anbauprojektes in Loi Kaw Wan, Shan-Staaten, beteiligt sind, werden jeweils 10% des mit dem Verkauf von ShanTee erzielten Umsatzes zugute kommen und es wird euch freuen zu hören, dass dieser Tee trotz seiner hohen Qualität und des Spendenanteils zugunsten der Shan-Flüchtlinge SiamTees Preisschlager sein wird.
Weitere Infos und Fotos zum „Projekt ShanTee“ finden sich in meinem Artikel
und in dem einschlägigen
Bericht zum Projekt auf der Webseite von Helfen ohne Grenzen.
13. Januar 2011
Der Weg nach Pang Kham führt von Chiang Mai aus zunächst über Pai nach Pangmapha, der letzten Manifestion von Zivilisation auf unserer Reise zur Grenze. Auf dem höchsten Punkt zwischen Pai und Pangmapha liegt ein Aussichtspunkt, an dem man einfach anhalten muss.
Die Tatsache, dass jeder Tourist hier anhält, nutzen die Bewohner der umliegenden Lisor- (ein heimischer Bergstamm), um den von ihnen angebauten Bergreis und Handarbeiten zu verkaufen.
Die Jüngeren verdienen sich ein Taschengeld, indem sie in traditioneller Stammeskleidung vor dem spektakulären Hintergrund für Touristen posieren.
Nur die Kleinste in der Familie weiß noch nicht so recht, was sie von all dem halten soll.
Wo wir kaum mehr als einfache Guest Houses erwarteten, hat sich in den vergangenen 10 Jahren etwas getan: Das Tal von Pangmapha (auf Thai auch Soppong genannt) hat sich einen Namen als hervorragende Ausgangsbasis für Wandertouren und Treks zu den umliegenden Dörfern der verschiedenen hier ansässigen Bergvölker sowie für Ausflüge zu einer Reihe teilweise erschlossener Tropfsteinhöhlen gemacht.
Daher haben sich neben den alteingesessenen Backpacker-Absteigen mittlerweile auch eine Handvoll Resorts auf gehobenerem Niveau etabliert. Wir wählen das unter deutscher Leitung gegründete und geführte Little Eden Guest House, welches freundliche Traveler-Atmosphäre, einen ausgeprägt individuellen Stil und akzeptable Preise mit hohen Standards an Unterbringung und kulinarischem Angebot verbindet.
Hauptattraktion des Guest Houses sind dennoch nicht etwa das deutsch-thailändische Restaurant, in dem nebst leckeren Thai-Gerichten auch Schnitzel, Goulash und Spagetthi zu haben sind, oder die individuell gestylten Bungalows und Familien-Häuschen, über die die Anlage verfügt, sondern eine Hängebrücke, wie man sie sonst nur aus Hollywood-Filmen über Dschungelkriege kennt und über die man vom Guest House aus direkt einen Wanderrundweg erreichen kann, der in einer Schleife durch den dichten, sonst unberührten Wald zurück zum Guest House führt.
Früh am nächsten Morgen treffen wir uns mit unserem Begleiter, einem leitenden Mitglied des Shan Health Comittees, der darauf bestanden hatte, uns nach Pang Kham zu begleiten und uns dort einzuführen. Später sollte sich herausstellen, dass wir ohne die Autorität und den Bekanntheitsgrad unseres Begleiters bereits an einem der ersten von vielen Militärkontrollpunkten auf dem Weg in Richtung Grenze aufgehalten und zurückgeschickt worden wären.
Wir reisen auf der Ladefläche eines Pickup-Trucks, was den Vorteil hat, dass wir die überwältigenden Ausblicke und Panoramen, die sich uns unterwegs bieten, in vollen Zügen genießen können. Nur das Fotografieren erweist sich unter diesen Bedingungen (mit der Kamera in einer Hand und mit der anderen am Überrollbügel festgeklammert) als etwas mühsam. Die Piste führt steil bergauf in die Berge und ist ein einziges Schlagloch, aber die uns umgebende Berglandschaft entschädigt uns im Übermaß für jede Unannehmlichkeit. Menschen sehen wir kaum, nur die Nutztiere der Bergvölker, deren kleine Dörfer sich in den umliegenden dichten Wäldern verstecken, stehen hier und da an der Straße herum.
Abgesehen von uns transportiert der Truck Kisten voll mit gebrauchter Kleidung und Decken, Hilfsgüter für die Flüchtlinge, die mittellos auf der anderen Seite der Grenze festsitzen. Man mag an Thailand als ein Land denken, in dem es immer warm ist, aber hier, in Höhenlagen bis zu 2000 Metern, trifft dies während der Monate November bis März nicht zu: Hier sinken die Temperaturen nachts bis zu knapp über 0° C.
Unterwegs passieren wir eine ganze Reihe von Militärkontrollpunkten, die uns nur passieren lassen, weil unser Begleiter hier offenbar eine bekannte Persönlichkeit ist und außerdem ein offizielles Schreiben mit sich trägt, das ihm Türen und Tore öffnet. Nach gut einer Stunde Fahrt ist die Straße plötzlich wieder asphaltiert und unser Ziel erscheint vor unseren Augen, Pang Kham, das Tee-Dorf im Niemandsland.
Da wir während der Fahrt vergeblich nach dem vertrauten Anblick von Tee-Plantagen Ausschau gehalten haben, wie wir sie von Doi Mae Salong und anderen Tee-Anbaugebieten Nord-Thailands kennen, sind unsere Erwartungen, was Teegärten angeht, auf ein eher bescheidenes Niveau gesunken.
Nach der Einfahrt in das 500-Seelen-Dorf in der Mitte von nirgendwo, zu dem seit knapp 2 Jahren eine Stromleitung führt, rollen wir vor dem Haus unseres Gastgebers vor, dem Shan-Farmer, von dem wir unsere Tee-Lieferung auf Vermittlung des Shan Health Comittees bezogen hatten. Im Hof liegt bereits eine Ladung Teeblätter zum Trocknen in der Sonne ausgebreitet. Wir sehen hier einen essentielles Verarbeitungsmerkmal der Pu Errh-Methode, die Sonnentrocknung: nach dem Unterbrechen des natürlichen Oxidations-/Fermentierungsprozesses in den Teeblättern wird der Tee, ander als bei grünem Tee, vollständig in der Sonne getrocknet. Das Foto zeigt frische, noch grüne Teeblätter neben einer Ladung bereits stark getrockneten Tees.
Unser Gastgeber empfängt uns sehr herzlich und bietet uns zum Willkommen eine Tasse Tee an, zu der wir natürlich nicht nein sagen. Bei dem angebotenen Tee handelt es sich natürlich um die lokale „Hausmarke“, einem im Pu Errh-Stil verarbeiteten, leicht über Holzkohle gerösteten Tees, geerntet von hier in den Bergen wild wachsenden Teebäumen. Der Aufguss wird schon wenige Sekunden nach dem Aufgießen getrunken, die Blätter anschließend in der Kanne belassen. Der Geschmack ist angenehm grasig, ähnlich manchen Yunnanesischen Pu Errh-Tees, die ich kenne, aber doch irgendwie ganz besonders. Nach 2 bis 3 Minuten wird uns der Tee wegen der in der Kanne verbliebenen Blätter jedoch zu intensiv. Eine Möglichkeit wäre nun, heißes Wasser nachzugießen, persönlich bevorzuge ich jedoch das Abgießen in eine zweite Kanne nach Erreichen der gewünschten Stärke.
Nach etwas freundlichem Small Talk, bei der unser Beleiter die Rolle des Übersetzters spielt, da der Shan-Farmer offenbar kaum Thai spricht, werden wir zur Besichtigung seiner Tee-„Fabrik“ eingeladen, die in einer Halle mittlerer Größe gleich neben seinem Haus (siehe Foto oben) untergebracht ist. Wir bekommen erklärt, dass die nun eher leer wirkende Halle zur Erntezeit (dreimal jährlich) weitgehend mit Tee gefüllt ist, der in den Körben, die wir an der Wand übereinandergestapelt sehen (siehe Foto unten), transportiert und bis zur Weiterverarbeitung gelagert wird. Die Körbe werden, wie wir später erfahren sollen, außerdem auch zum Rösten des Tees verwendet.
In Shan-Sprache (wieder mit Übersetzung unseres Begleiters, der erstklassiges Englisch spricht) erklärt der Tee-Farmer uns seinen Verarbeitungsprozess. Die Maschinen und Vorrichtungen sind im Prinzip typisch und gleichen denen, die wir in Doi Mae Salong gesehen haben, nur dass die „Anlagen“ hier deutlich antiquierter wirken und ohne elektrischen Strom auskommen. Wie in Doi Mae Salong gibt es eine (Feuer-) beheizte Trommel, in welcher der Tee für gut 10 Minuten rotiert wird, um den natürlichen Fermentierungsprozess der Teeblätter zu unterbinden.
Danach wird der Tee aus der Trommel entfernt und auf eine rotierende Walkmaschine gestellt, die in weiteren 10 Minuten dafür sorgt, dass die Teeblätter sich kräuseln und die Form annehmen, die sie später in der verkaufsfertigen Packung haben. Der Zyklus des Behandelns der Tee-Blätter im Heizkessel und des Rotierens auf der „Zentrifuge“ wird nur ein einziges Mal durchgeführt.
Ich bin neugierig und frage unseren Shan-Teemeister, ob er auch Gunpowder produzieren kann, und erfahre, dass er dafür eine andere Maschine brauche, die Technik aber durchaus beherrsche. Außerdem könne er auch aromatisierte Teesorten wie beispielsweise Reis-Tee oder Sellerie-Tee (und mehr) herstellen. Ich finde das hochinteressant und mache mir innerlich eine Notiz.
Nun folgt der weiter oben in Wort und Bild dargestellte Prozess des für die Herstellung von Pu Errh-Tee charakteristischen vollständigen Trocknens der Teeblätter in der Sonne.
Für die Produktion der „Hausmarke“ wird der Tee dann noch einem weiteren Prozess unterzogen: Dem Rösten auf dem Holzkohlefeuer. Hierzu werden die getrockneten Teeblätter zunächst in einen aus Bambus geflochtenen Korb gefüllt.
Dieser Korb wird dann auf die dafür vorgesehene Vorrichtung gestellt, in welcher bereits ein Holzkohlefeuer glüht. Die Körbe bestechen demnach nicht nur durch ihre ästhetischen Eigenschaften und Multifunktionalität, sondern insbesondere auch durch ihre offensichtliche Hitzebeständigkeit.
Das Ergebnis dieses zusätzlichen Verarbeitungsschrittes ist die oben bereits erwähnte rauchige Geschmacksnote des Tees.
Nach der Fabrikbesichtigung laden der Farmer und seine Familie uns zu einem traditionellen Shan-Essen ein, welches extra für uns nur in mäßiger Schärfe serviert wird. Wir wissen im Einzelnen zwar nicht genau, was wir essen, aber alles, was auf den Tisch kommt, schmeckt so gut, dass unsere Gastgeberin angesichts unseres Appetits bereits Angst bekommt nicht genug gekocht zu haben.
Nach dem Essen unterhalten wir uns noch ein wenig über Pang Kham. Das Dorf wurde in der 40er Jahren von Shan gegründet, die aus dem Shan State einwanderten. Bis heute kommen immer wieder neue Immigranten hinzu, seit der Machtübernahme der Generäle in Burma vor über 40 Jahren zunehmend Flüchtlinge. Außer den jüngeren, in Pang Kham geborenen Leuten besitzt kaum einer der Dorfbewohner einen thailändischen Personalausweis.
Der Shan-Teefarmer bietet sich an, uns die Tee-Plantagen zu zeigen. Wir nehmen den Pickup, wir wieder hinten auf der Ladefläche und bekommen bei dieser Gelegenheit den Rest von Pang Kham zu sehen. Der Ortskern selbst wirkt sehr sauber und ordentlich, gar nicht wie ein Ort fern der Zivilisation im Niemandsland.
Am Dorfrand liegen die deutlich ärmlicheren, teilweise recht improvisierten Behausungen erst kürzlich von jenseits der Grenze ‚zugezogener‘ Dorfbewohner.
Dann folgt ein halsbrecherischer 15-minütiger Pickup-Ritt über Wege, die diese Bezeichnung selbst nach thailändischen Maßstäben nicht verdienen. Wieder bieten sich uns atemberaubende Panoramen der nord-thailändischen, weit nach Burma hinein reichenden Berglandschaft.
Schließlich bleibt unser Wagen plötzlich mitten auf dem Weg stehen und unser Gastgeber fordert uns auf abzusteigen. Erst nach zweimaligem Hinsehen bemerke ich, dass wir uns mitten in der Tee-Plantage befinden. Überall um uns herum stehen in unregelmäßigen Abständen und scheinbar wahllos verstreut Tee-Bäume zwischen Kaffeestauden und anderen Bäumen.
Wir erfahren, dass es bereits vor mehreren hundert Jahren wenige Kilometer weiter nördlich von Pang Kham ein Shan-Dorf gegeben hatte, dessen Bewohner diese Tee-Bäume kultiviert hatten. Als die ersten Siedler von Pang Kham sich dort niederließen, war jenes Dorf jedoch bereits aufgegeben und die Tee-Bäume als Hinterlassenschaft zurückgelassen worden. Unser Gastgeber erzählt uns, dass er in seiner Kindheit von seinem Vater, der ebenfalls Tee-Bauer war (und angeblich 99 Jahre alt geworden ist), im Shan-State die Kunst der Tee-Verarbeitung erlernt hat, und den hier vorhandenen Reichtum an Tee-Bäumen (laut Auskunft über 10.000 Stück) als ein Geschenk Gottes betrachtete, als er vor 5 Jahren in Pang Kham ankam.
Was mich am meisten beeindruckt, ist, dass der Tee hier ohne jede Zugabe von Düngemitteln, Unkraut- oder Schädlingsbekämpfungsmitteln, sprich 100% organisch angebaut wird. Die teilweise über 2 m hohen Tee-Bäume werden regelmäßig beschnitten, um ihren Ertrag zugänglich zu halten und das Treiben neuer Tee-Blattsprosse zu fördern.
Nach unserer Rückkehr nach Pang Kham trennen sich unsere Wege von denen unseres sympathischen Begleiters, Führers und Übersetzers. Er wird von hier aus weiter über die grüne Grenze „reisen“, um seine Aufgaben in der politischen Vertretung der Interessen des Shan-Volkes wahrzunehmen und Hilfsgüter zu den zahlreichen Flüchtlingen, die sich auf der anderen Seite vor dem burmesischen Militär im Wald verbergen, zu bringen. Da es dort keine Straßen gibt, braucht er den Pickup nicht, während wir wieder die von der Gunst der Geburt begnadeten Westler sind, die Wagen samt ortskundigem Fahrer gestellt bekommen, um in ihr schickes Resort zurückkehren zu können.
Bereitwillig hält unser Fahrer unterwegs mehrmals an, damit ich wenigstens ein paar der unbeschreiblichen Szenerien rechts und links des Weges zurück in die Zivilisation dokumentieren kann.
Wieder einmal hat meine Leidenschaft für Tee und die Plätze, an denen er angebaut wird, mich zu einem neuen Ort geführt und mit neuen Menschen zusammengebracht, ein Gedanke, dem ich an diesem Abend noch lange nachhänge. Es sollte noch eine Weile dauern und einige Hürden waren zu nehmen, bevor ShanTee von diesem Ort nach Deutschland gebracht werden konnte. Mittlerweile ist er aber erhältlich in unserem Siam Tee Shop:
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