Grüner Tee ist nicht gleich grüner Tee!
Eine Liste der Faktoren, welche die Unterschiede von Teesorte zu Teesorte in deiner Tasse ausmachen, haben wir in Lektion 2 unseres Tee-ABC aufgestellt. Mit einem dieser Faktoren, der Teeverarbeitung, beschäftigt sich unsere Lektion 8. In deren Unterlektionen 8.1. und 8.2. haben wir zunächst die grundsätzliche Unterscheidung in 6 verschiedene Verarbeitungskategorien kennengelernt. Entsprechend wirft die vorliegende Lektion 8.3 nun einen näheren Blick auf die erste, einfachste – und älteste – dieser Verarbeitungskategorien, namentlich die Verarbeitung von grünem Tee.
Denn auch grüner Tee ist nicht gleich grüner Tee. Vielmehr gibt es grünen Tee, je nach Herkunft, Terroir, Kultivar, Anbau, Pflückung und: Verarbeitung in einer praktisch unendlichen Vielzahl von Variationen. Hierbei basieren die bei der Verarbeitung entstehenden Unterschiede auf unterschiedlichen Ausprägungen der einzelnen grundlegenden Verarbeitungsschritte von grünem Tee. Gänzlich verschiedenartige Ausgestaltungen finden wir beispielsweise beim Vergleich der Verarbeitung von grünem Tee in Japan und chinesischen Grüntees. Andere Erzeugerländer von grünem Tee wiederum orientieren sich in aller Regel an einem dieser beiden Ansätze.
Im Folgenden wollen wir nun jeden einzelnen der grundlegenden Verarbeitungsschritte für grünen Tee etwas näher betrachten. Dabei werden wir auf mögliche Variationen aufmerksam machen und die grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem chinesischen und dem japanischen Ansatz herausarbeiten.
1. Welken
Vorab, eigentlich ist das Welken, ob im Freien unter der Sonne oder im Schatten der Verarbeitungshalle, KEIN charakteristischer Verarbeitungsschritt für grünen Tee! Vielmehr ist die Verarbeitung von grünem Tee – wiederum eigentlich – sogar vom Fehlen dieses Verarbeitungsschrittes gekennzeichnet. Denn das Welken frisch gepflückter Teeblätter bringt immer auch Oxidationsprozesse mit sich, während es ja DAS Kennzeichen von grünem Tee schlechthin ist, dass die Teeblätter eben NICHT oxidiert sind. Warum also spreche ich hier im Zusammenhang mit der Verarbeitung von grünem Tee nun trotzdem vom Welken der Teeblätter? Nun, weil Welken nicht gleich Welken ist…
Ein Hauptzweck des Welkens ist, dass die Teeblätter durch den Verlust von Wasser während dieses Prozesses an Geschmeidigkeit gewinnen. Dies erleichtert den späteren Verarbeitungsschritt des Rollens der Blätter beträchtlich, bzw. ermöglicht dies in einigen Fällen überhaupt erst. Weiter hat das Welken aber auch signifikante Auswirkungen auf den Geschmack des fertigen Tees. So verringert der Vorgang insbesondere dessen Adstringenz in nicht unbeträchtlichem Maße. Und hier sind wir auch schon beim ersten wichtigen Unterschied zwischen chinesischem und japanischem grünem Tee angelangt.
in China:
In China erachtet man das Welken der Teeblätter bei der Herstellung vieler Grünteesorten als einen Prozess zugunsten einer wünschenswerten geschmacklichen Veränderung des resultierenden Tees. Damit der grüne Tee trotzdem ein grüner Tee bleibt, ist es dabei wichtig, einsetzende Oxidationsprozesse auf ein Minimum zu beschränken. Dies geschieht durch verhältnismäßig kühle Umgebungstemperaturen und das weitgehende Blockieren der Luftzirkulation, z. B. durch Aufhäufen der Teeblätter in einem Welktrog.
Eine gewisse Unvermeidbarkeit von Welk- und damit einhergehenden Oxidationsprozessen ergibt sich im Übrigen bereits aus der jeweiligen Entfernung des Teegartens von der Teefabrik. Denn diesen Weg müssen die Teeblätter immer erst zurücklegen, bevor sie dem nächsten Verarbeitungsschritt, dem Oxidationstopp, zugeführt werden können. Entsprechend gilt ein leicht – bis zu etwa 10% – oxidierter Tee auch immer noch als grüner Tee.
in Japan:
In Japan erachtet man die geschmacklichen Veränderungen, die ein grüner Tee durch initiales Welken der Teeblätter erfährt, eher als nicht wünschenswert. Sofern ein beabsichtigtes Welken überhaupt erfolgt, geschieht dies in kühler Umgebung bei minimaler Luftzirkulation. Häufig entfällt dieser Schritt bei der Verarbeitung von grünem Tee in Japan auch ganz. So wird die räumliche Nähe des Teegartens zur Teefabrik zu einem wichtigen Faktor. Man findet hier sogar mobile Verarbeitungseinheiten, welche die Durchführung des nächsten Verarbeitungsschritts, des Oxidationsstopps, direkt am Teegarten ermöglichen.
2. Fixieren (Oxidationsstopp)
Das prägendste Merkmal der Verarbeitung von grünem Tee ist der Abbruch von Oxidationsprozessen im frisch gepflückten Teeblatt zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Dies geschieht immer durch ein Erhitzen der Teeblätter möglichst gleich nach der Pflückung. Oder eben nach einem Welkprozess, der die damit einhergehenden geschmacklichen Veränderungen begünstigt, ohne von signifikanten Oxidationsprozessen begleitet zu werden.
Zweck des Oxidationsstopps ist das „Fixieren“ der grünen Teeblätter im Ist-Zustand. Hierbei bewirkt die Hitze ein Degenerieren der Enzyme im Teeblatt dahingehend, dass diese nicht mehr mit dem Sauerstoff aus der Luft reagieren. Die genaue Methode dieser Fixierung (in Englisch auch: „kill green“) hat in China eine ganze Reihe unterschiedlicher Traditionen. Von diesen wiederum hat sich in Japan praktisch nur eine einzige wirklich durchgesetzt.
in China:
Die älteste Methode der Fixierung grüner Teeblätter ist das Dämpfen mit heißem Wasserdampf. Wie so ziemlich alles, das mit Tee zu tun hat, kommt die Methode ursprünglich aus China. Dort war sie insbesondere während der Zeit der Tang-Dynastie (617-907 n. Chr.) vorherrschend. Aufgrund veränderter geschmacklicher Präferenzen ging der Trend in China ab der Ära der Ming-Dynastie (1368 – 1644) aber in Richtung des Röstens der Teeblätter in der Wok-Pfanne. Später kam dann die Methode des Röstens grüner Teeblätter im Ofen (englisch: „baking“) auf.
Die traditionelle Methode des Röstens von Teeblättern von Hand in der heißen Wok-Pfanne findet man heute nur noch in kleineren Familien- und Artisan-Betrieben. Die Teeblätter hierbei so in Bewegung zu halten, dass sie gleichmäßig erhitzt werden, ist eine Kunst für sich. Wer sie nicht beherrscht, wird am Ende einen Teil der Teeblätter verbrannt vorfinden, während ein anderer Teil den Oxidationsstopp noch nicht fertig vollzogen hat.
In der modernen, kommerziellen (Massen-) Teeverarbeitung kommen in China heute Maschinen und Vorrichtungen zum Einsatz, die grundsätzlich auf einem dieser beiden Prinzipien (Rösten oder Backen) basieren. Dabei nutzen moderne Fixierungsöfen in der Regel Umluftsysteme, während Röstvorrichtungen meist über ein Rotationssystem verfügen. In beiden Fällen dient die Bewegung der Teeblätter deren gleichmäßigem Erhitzen. Auf diese Weise wird verhindert, dass ein Teil der Teeblätter verbrennt, während der Oxidationsstopp in anderen noch nicht abgeschlossen ist.
in Japan:
In Japan fallen die Einführung des Teeanbaus und der Einzug der Teekultur in die japanische Gesellschaft in die Zeit zwischen der Tang- und der Ming-Dynastie. Zusammen mit dem Tee brachten reisende Mönche seinerzeit auch das Wissen um dessen Verarbeitung aus China mit nach Japan. Dort ist das damals auch in China übliche Dämpfen der grünen Teeblätter bis heute die vorwiegende Methode des Oxidationsstopps.
3. Rollen
Wer schon einige grüne Teesorten kennengelernt hat, kennt wahrscheinlich die vier typischen Formen, die grüne Teeblätter beim Rollen erhalten können. Dies wäre einmal die dünne Nadelform, dann die ebenfalls längliche gekräuselte Form, als drittes die die schneckenartige bzw. kugelige Form und zu guter Letzt die flach gepresste Form. Beispiele für nadelförmig gerollte Grüntees wären der japanische Sencha-Tee oder der chinesische Anji Bai Cha. Ein typischer länglich gekräuselter grüner Tee wäre dagegen der Mao Feng. Typisch für die Schneckenform ist weiter der Bi Luo Chun, und das bekannteste Beispiel für einen kugelig gerollten Grüntee ist der „Gunpowder“. Ein Sonderfall ist die flach gepresste Form, die – natürlich – nicht durch ein Rollen im eigentlichen Sinne erzeugt wird. Bekannte Beispiele hierfür wären Long Jing und Tai Ping Hou Kui Grüner Tee.
Allerdings dient das Rollen der Teeblätter keineswegs nur ästhetischen Zwecken. Vielmehr handelt es sich um einen äußerst sensiblen Prozess, der wesentlichen Einfluss auf den Geschmack des fertigen Tees hat. Es geht dabei nämlich darum, verbleibende Zellwände und -Strukturen im Teeblatt endgültig aufzuheben und eine gleichmäßige Verteilung der Säfte im Teeblatt zu fördern. Die beim Rollen entstehende Form erfährt im darauf folgenden Verarbeitungsschritt, dem Trocknen, eine dauerhafte Festigung.
4. Trocknen
Während der bisherigen Verarbeitungsschritte haben die grünen Teeblätter fortwährend an Feuchtigkeit verloren. Im Interesse guter Haltbarkeit und der nachhaltigen Konservierung von Geschmack und Aroma ist es aber notwendig, dass nicht mehr als eine minimale Restfeuchte in den Blättern verbleibt. Deshalb steht am Ende der Verarbeitung (nicht nur) von grünem Tee eine Endtrocknung. Hierbei gibt es drei verschiedene Grundtypen: die Rösttrocknung, die Ofentrocknung und die Sonnentrocknung.
Für die traditionell in der Wok-Pfanne erfolgende Rösttrocknung gibt es heute natürlich moderne industrielle Entsprechungen. Das gleiche gilt für die Ofentrocknung. Die Sonnentrocknung dagegen ist gewissermaßen ein Sonderfall. Sie ist beispielsweise nach wie vor typisch für grünen Tee von großblättrigen Teebäumen in Yunnan. Der hierbei entstehende grüne Tee gleicht in der Verarbeitung stark dem als Basis für die Herstellung von Pu-Erh-Tee dienenden „Maocha“.
Verarbeitung Grüner Tee – Fazit
Wie wir gesehen haben, ist auch die Verarbeitung der „einfachsten“ Teeverarbeitungskategorie, der des grünen Tees, alles andere als einfach. Zum einen gibt es eine Vielzahl von Fehlerquellen. Zum anderen kann man in diesem Prozess einen einmal gemachten Fehler kaum wiedergutmachen. Noch komplexer gestalten sich die Prozesse der nächsten Verarbeitungskategorie, des Oolong-Tees, mit der wir uns in der folgenden Lektion 8.4. beschäftigen wollen.
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