Jin Xuan Oolong Tee (Taiwan Tee Kultivar Nr. 12) – Nordthailands vielseitigste Teepflanzenvarietät

Jin Xuan Oolong Tee (Taiwan Tee-Kultivar Nr. 12)

Nordthailands vielseitigste Teepflanzenvarietät

Jin Xuan Taiwan Oolong Kultivar Nr. 12: Gong Fu Cha in meinem GartenJin Xuan Oolong Tee Nr. 12 im heimischen Garten in Nordthailand

Es existiert eine weit verbreitete Vorstellung, gemäß der eine bestimmte Teepflanze einen bestimmten Tee produziert, eine Vorstellung, die auch ich mich erinnere vor langer Zeit einmal gehabt zu haben. Dem ist natürlich nicht so. Grundsätzlich kann man jede Teepflanzenvarietät zu einer nahezu unendlich großen Anzahl von Tees verarbeiten: man kann grünen Tee daraus machen, schwarzen Tee, oder einen Oolong Tee  beliebigen Fermentierungs-/Oxidationsgrades; man kann unterschiedliche Pflanzenteile auf unterschiedliche Weise ernten, die geernteten Blätter in der Sonne trocken und sie wie Pu Er Tee verarbeiten, sie dünsten, in der Pfanne rösten oder über einem Holzkohlefeuer oder anderweitigs, die Blattstrukturen aufbrechen oder nicht, und man kann im Frühling, Sommer, Herbst oder sogar im Winter ernten, um nur diejenigen Variationsmöglichkeiten zu nennen, die mir auf Anhieb einfallen.

Jin Xuan Trinity: Spring Harvest Oolong, Hoarfrost Tea & Black Pearls

Jin Xuan „Dreifaltigkeit“: Pouchong Oolong, Raufreif-Oolong, Black Pearls

Im Laufe der Zeit haben sich jedoch für die meisten oder alle Teepflanzenvarietäten bestimmte Verarbeitungsstandards herauskristallisiert und etabliert, die für den jeweiligen Tee-Kultivar als am besten oder zu bevorzugen angesehen werden. Im Fall chinesischer oder taiwanesischer Teepflanzenvarietäten kann sich dieser Prozess über Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende hingezogen haben. Ein populäres Beispiel: wer eine Darjeeling-Tee kauft, wird in der Regel erwarten, dass dieser ein schwarzer Tee ist, während mittlerweile tatsächlich auch grüner Tee aus Darjeeling-Pflanzen hergestellt wird. Wir können Ländern wie China und Taiwan gar nicht dankbar genug sein für die experimentelle und Entwicklungsarbeit, die diese in der Etablierung solcher Standards geleistet haben. Man muss sich nur einmal vorstellen, wie wie lange es dauert und wie viele Ressourcen aufgewendet werden müssen, um auch nur einmal etwas zu versuchen, das von einem etablierten Verarbeitungsstandard abweicht, und sich dabei vor Augen halten, wie breit das Spektrum der Möglichkeiten in dieser Hinsicht ist, nämlich nahezu unendlich. Allerdings haben sich für einige Teepflanzenvarietäten nicht nur ein, sondern verschiedene alternative Wege der Produktion verschiedener, aber gleichermaßen wünschenswerter Teesorten herauskristallisiert.

Jin Xuan Nr. 12: frische Triebe im Februar in Doi Mae Salong, Nordthailand

Unser Taiwan Jin Xuan Oolong Tee Kultivar Nr. 12 ist ein perfektes Beispiel hierfür: bisher ist dieser mir in Form eines leichtfermentierten Oolong-Tees, der eines schwarzen Tee und als ein „Winter-Tee“ (Raureif-Tee“) bekannt. Dies zumindest sind die drei in Nordthailand verbreiteten Verarbeitungstypen für diesen Tee, wobei es durchaus möglich ist, dass an anderen Orten weitere Optionen bekannt sind oder solche sich in Zukunft herausbilden werden. Ich habe unserem „DMS Jin Xuan Black Pearls“ bereits einen eigenen Artikel in diesem Blog gewidmet (siehe „Doi Mae Salong Jin Xuan Black Pearls – Wie Schwarz Ist Dieser Tee Wirklich?“und werde in naher Zukunft noch in einem weiteren Beitrag im Siam Tee Blog im Detail auf meine neueste „Entdeckung“, den Jin Xuan Raureif Oolong Tee, eingehen. Hier möchte ich den Fokus nun aber auf die „genuinste“ Verarbeitungsform für diesen Tee-Kultivar richten, nämlich die eines niedrig fermentierten / oxidierten, möglicherweise als „Pouchong“-Oolong betitelbaren Oolong-Tees.

DMS Jin Xuan Oolong Nr. 12, frühe Blüte im Februar 2013 in unseren Teegärten in Doi Mae Salong

Über die Relevanz der Verwendung des Begriffes „Pouchong“-Oolong könnte man sich dabei wohl streiten, denn einerseits ist der Grad der Fermentierung / Oxidation, der zur Verwendung dieses Begriffes berechtigt, nicht klar, sondern lediglich durch „schwach fermentiert“ definiert, und andererseits wird unser Jin Xuan Oolong Nr. 12 per Standard mit einem Fermentierungsgrad verarbeitet, der zwar niedrig ist, aber durchaus bereits jenseits dessen liegen könnte, was für den ein oder anderen noch als Pouchong-Oolong durchgehen würde. Wie gesagt also, möglicherweise ein Pouchong Oolong Tee

Jin Xuan Nr. 12 Teepflanze im Februar 2013 in Doi Mae Salong, Nordthailand

Was die praktischeren Aspekte der Ernte und Verarbeitung des Jin Xuan Oolong Nr. 12 nach erwähntem Standard betrifft, siehe bitte unser Video „Teeproduktion an Doi Mae Salong – der Verarbeitung von unserer DMS Jin Xuan Oolong Nr. 12“. Im Folgenden möchte ich stattdessen gerne etwas eingehender auf die „transzendenteren“ Aspekte dieses außergewöhnlichen Tees eingehen.

Es sei jedoch erwähnt, dass der Jin Xuan Oolong Tee Kultivar Nr. 12 vier Mal während des Frühling/Sommer/Herbst-Zyklus geerntet wird, mit einer zusätzlichen Ernte während der Wintermonate (in der Regel im Dezember), die einen ganz besonderen Tee, Jin Xuan Raufreif Tee (engl. „Hoarfrost Tea“ aufgrund des die Teepflanzen im Winter während der frühen Morgenstunden bedeckenden Raureifs) hervorbringt, während die Frühlings-, Sommer- und Herbsternten neben dem Pouchong-Standard auch für die Produktion des Jin Xuan Black Pearls verwendet werden.

Jin Xuan Oolong Nr. 12: junger Trieb im Februar 2013 in Doi Mae Salong

Geschmack und Aroma des Jin Xuan Oolong Tee sind eher schwierig zu definieren oder zu beschreiben, da diese sich aus einer stattlichen Anzahl von Komponenten zusammensetzen, die sich insbesondere in Abhängigkeit von der Ziehdauer des Tees in ihrer jeweiligen Präsenz / Dominanz unterscheiden: da wären zunächst die grasigen Elemente, Reminiszenzen an grünen Tee oder bestimmte Arten von Pu Er Tee, dann haben wir die erdigen Grundnoten, sie sie ganz allgemein typisch sind für Oolong-Tees. Dazu kommt auch eine gewisse Süße, gewöhnlich ein wichtiger Bestimmungsfaktor für die Popularität einer Teesorte, die jedoch für unseren Jin Xuan Oolong Tee am ehesten bei kurzen Aufgusszeiten spürbar wird und bei längerem Ziehen einer gewissen Herbheit Platz macht, die zwar für den erfahrenen Teetrinker in keinster Weise unangenehm ist, einen Oolong-Tee für Tee-Neulinge oder Teetrinker mit wenig Oolong-Erfahrung jedoch eher „schwer zugänglich“ macht. Dem wären dann noch einige meiner eigenen, individuellen Empfindungen hinzuzufügen, wie beispielsweise ein Hauch von Malz, vielleicht sogar Hopfen, was mich bereits häufiger dazu veranlasste, von diesem Tee als dem „Bier“ unter den Oolong-Tees zu denken.

DMS Jin Xuan Oolong Nr. 12, Close-up

Die Bier-Analogie, so weit hergeholt diese manchen erscheinen mag, deutet auch auf eine andere Beschreibung hin, die ich oft zur Beschreibung des Jin Xuan Oolong Tee benutzt haben: einer der „ehrlichen“ Tees unter jenen „feinen“ Oolong-Tees, die uns vielleicht nicht mit einer dominanten Süße oder einem anderen allgemein beliebten Aroma locken mögen, uns aber dafür die Empfindung vermitteln, etwas wirklich Substanzielles zu uns zu nehmen, einen gefühlten Anker unverzerrter sinnlicher Orientierung, eine bündelnde und fokussierende Kraft im Hinblick auf unsere Sinnesrezeptoren. In der Praxis bedeutet dies, dass während ich die Süße eines Ruan Zhi Oolong Nr. 17 wählen würde, um einen warmen sonnigen Frühlingstag mit der Segnung etwas freier Zeit für Müßiggang und Genuss zu feieren, ich meinen Jin Xuan Oolong Tee Nr. 12 am liebsten nutze, um mir die Mühen langer Arbeitsstunden und die Verrichtung langweiliger Verpflichtungen zu erleichtern oder einen Schlusspunkt unter einen schlechten Tag / eine schwere Zeit / eine negative Erfahrung oder ein unangenehmes Ereignis zu setzen, und im besten Fall einen endgültigen solchen, einen Punkt, von dem aus sich neu anfangen lässt.

Jin Juan Nr. 12 in meinem Herbstgarten

Das mag nun alles wirklich sehr transzendent und schwer verständlich klingen, insbesondere für Menschen, deren Leben sich nicht so sehr um den Tee dreht wie das meinige. Aber all dies sind Eigenschaften und Empfindungen, die sich so oder in ähnlichen Worten zwangsläufig jedem eröffnen werden, der nur tief genug in die Welt eindringt, die dieser Tee potenziell eröffnet. Und damit wären wir an einem Punkt angelangt, wo ein weiterer wichtiger Faktor des besagten „schwer zugänglichen“ Charakters „ehrlicher“ Oolong-Tees wie des Jin Xuan Oolong Nr. 12 ins Spiel kommt: Tiefe.

Jin Xuan Oolong Nr. 12 - 2 Blätter + 1 Trieb

Wir mögen breitgefächerte und komplexe Geschmacks- und Aromaspektren mit grünen Tees, schwarzen Tees oder stark fermentierten Oolong-Tees wie beispielsweise einem Ti Guan Yin oder Oriental Beauty, aber diese Spektren werden im Allgemeinen auf der ein und selben Hierarchieebene angesiedelt sein, während insbesondere hochwertigere Oolong-Tees niedrigen Fermentierungsgrades, bzw. Pouchong-Oolong-Tees, ihre geschmacklichen und aromatischen Komponenten über ein breites Spektrum von Hierarchieebenen verteilen. Bei solchen Tees wird der Teetrinker zunächst auf eine „Oberfläche“ stoßen, die von Neulingen und Außenstehenden oft als simple Bitterkeit empfunden wird. Jedoch werden sich mit jedem Aufguss und jeder Füllung der Teekanne neue Ebenen der geschmacklichen und anderweitigen, tiefergehenden sinnlichen Wahrnehmung demjenigen eröffnen, der die Beharrlichkeit aufbringt, nach ihnen zu suchen, sowie das Vermögen, sich ihnen zu öffnen. Nun hat dieser Prozess nicht etwa einen Endpunkt, oder jedenfalls nicht einen, an dem ich je angelangt wäre oder der auch nur am entferntesten Horizont je sichtbar für mich geworden wäre, sondern es handelt sich dabei wahrscheinlich vielmehr tatsächlich um einen unendlichen Prozess des Entdeckens neuer Welten: Geschmacksnoten und Kombinationen sowie ebenenübergreifenden Neukombinationen von Geschmacksnoten, zugehörigen Assoziationen und Metaphern, geschaffen für die potentiell unendliche Weiterentwicklung, was den Geschmack von Oolong-Tees wie des Jin Xuan Oolong ultimativ zu einer Repräsentation des Universums bzw. der Schöpfung selbst macht.

Oolong N°12 frisch von der Plantage, vor der Tee-Fabrik in Doi Mae Salong

Okay, jetzt habe ich den Loop via was ich die Ehrlichkeit eines Tees nannte den ganzen Weg zurück zu besagtern Transzendenz genommen, aber das enorme Potential zur Transzendenz seiner wahren Natur ist in der Tat genau das, ws den Jin Xuan Oolong Nr. 12 zu einem Paradebeispiel für ein perfektes Vehikel der Weiterentwicklung menschlicher Wahrnehmung macht.

Selbstverständlich finden Sie alle in Nordthailand aus dem Jin Xuan Oolong Nr. 12 Teekultivar hergestellten Tees im Siam Tee Shop:

Tees des DMS Jin Xuan Oolong Kultivars kaufen im Siam Tee Shop

Wir haben eine wundervolle Videodokumentation des gesamten Werdegangs unseres DMS Jin Xuan Oolong Tee von der Ernte über die einzelnen Schritte der Trocknung und Verarbeitung bis hin zu den fertig gerollten Teeblättern in herrlichen beweglichen Bildern erstellt. Viel Spaß beim Anschauen!

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