Die Wiege des Tees liegt auch in Vietnam
Mit einer mehr als 2000 Jahren zurückreichenden Geschichte des Anbaus und der Verarbeitung von Tee ist Vietnam eines der ältesten Teeerzeuger-Länder der Welt. Teebäume gibt es in Vietnam allerdings schon sehr viel länger. Gemeinsam mit einer Reihe weiterer, im Westen der osttibetanischen Gebirgskette gelegenen Ländern Südostasiens mit geographischem Anteil am Verlauf der Flüsse Yangtze, Mekong, Dranagouta (Assam) und dem vietnamesischen „Roten Fluss“, beansprucht auch Vietnam den Titel „Wiege des Tees“, und das möglicherweise nicht einmal zu Unrecht: in Russland durchgeführte Studien der Catechin-Komponenten alter Teebäume in China, Indien und Vietnam zeigten einen komplexeren Aufbau derselben für Teebäume aus Yunnan verglichen mit denen aus Vietnam, woraus auf eine spätere evolutionäre Stufe geschlossen werden könnte. Während der 50er Jahre durchgeführte Ausgrabungen brachten Teesamen ans Licht der Welt, deren Alter auf 10000 Jahre geschätzt wird. Geologie und Klima des von Gebirgsketten und Flüssen durchzogenen Landes bescheinigen Vietnam optimale Bedingungen für das Gedeihen der Teepflanze und damit für den Teeanbau.
Tee aus Vietnam – 4 ‚Snow Shan‘-Tees: grüner Tee, schwarzer Tee, Snow Shan Silver Needle und Pai Hao
Vietnams uralte Teekultur – verwurzelt in ethnischen Minderheiten
Lange bevor die französischen Kolonialherren und nach ihnen die kommunistische Revolution das qualitative und wirtschaftliche Potential von Tee aus Vietnam entdecken, erforschen und zu Markte tragen sollten, war der Teegenuss bereits ein fester Bestandteil der vietnamesischen Kultur. Wie in Yunnan, Nordthailand, Burma und Laos gehen der Anbau und die Verarbeitung von Tee auch in Vietnam zurück auf die Bepflückung wild wachsender Teebäume durch ethnische Minoritäten seit nicht näher bestimmbarer uralter Zeit sowie auf deren jeweilige Verarbeitungs- und Genusstraditionen. Bis heute wird ein großer Teil des vietnamesischen Tees von Bergstämmen wie den Hmong oder den Red Dzao gepflückt und produziert. So stammt von letzteren beispielsweise auch unser Tra Pai Hao Tee. Wie auch vielerorts in China verehren die Bergvölker ihre alten Teebäume auch in Vietnam als mächtige Waldgeister, zu deren Verehrung regelmäßig Zeremonien und spirituelle Rituale abgehalten werden. Noch bis vor gar nicht allzu langer Zeit die Zubereitung frisch gepflückter und nicht weiter verarbeiteter Teeblätter die gängigste Variante des Teekonsums unter der vietnamesischen Landbevölkerung, eine kulinarische Tradition, die auch heute noch vielfach gepflegt wird.
Hmong-Frau beim Pflücken von Teeblättern von alten Teebäumen in Ha Giang, Vietnam
Bedingt durch die geographische Verteilung einer Vielzahl wilder Teebaumvorkommen in ganz Vietnam und begünstigt durch die einschlägigen Traditionen der Bergvölker fand der Teegenuss in Vietnam bereits sehr früh auch Verbreitung in der Allgemeinbevölkerung. So gehörten Bilder von Tee trinkenden Menschen in den unterschiedlichsten privaten, geschäftlichen und öffentlichen Kontexten zur Zeit der Kolonialisierung Vietnams durch Frankreich bereits ebenso zum vietnamesischen Alltag wie die Teepflanzen im eigenen Garten. Einschlägige Statistiken zeigen einen kontinuierlich hohen Eigenverbrauch von Tee durch vietnamesische Haushalte, teils bestritten aus Eigenerzeugnissen, teils aus Importen.
Idyllische Tee-Szenerie in der Provinz Ha Giang, Vietnam
Vietnam Tee in Zeiten der Kolonialherrschaft
Die neuen französischen Kolonialherren wurden sehr schnell auf das wirtschaftliche Potential von Vietnam Tee aufmerksam. Wie an manch anderem Ort brachte die europäische Kultur und Denkweise auch hier den vermeintlichen Segen der gezielten (Massen-) Kultivierung von Teepflanzen in geordneten Reihen und Teegärten. So entstanden zu Zeiten der französischen Kolonialherrschaft in Vietnam eine ganze Reihe von Teeproduktionsstätten und einschlägigen Forschungsinstituten im Süden wie im Norden des Landes. Erstmals wurde vietnamesischer Tee – neben Hongkong, Singapur und China – nun auch nach Europa exportiert, insbesondere nach Frankreich und England. Zahlen aus dem Jahr 1945 belegen, dass in diesem Jahr in Vietnam insgesamt 13585 ha Land von Teepflanzen bedeckt waren, aus denen 6000 Tonnen schwarzer, grüner sowie ein „Pu Erh Tee“-ähnlicher Tee produziert wurden.
Konventioneller Teeanbau in Vietnam, eingeführt im 19. Jahrundert von den franz. Kolonialherren
Bis heute findet der französische Ansatz einer marktorientierten (Massen-) Teeproduktion Reflektion in einem bedeutenden Segment der vietnamesischen Teeindustrie. „Konventionell“ angelegte Teegärten, die unter anderem auch für die CTC-Produktion herangezogen werden, finden sich in der Nachbarschaft alter Teebaum-Wälder und -Vorkommen, die bis heute von Hand bepflückt und weitgehend manuell verarbeitet werden, um das große qualitative Potential dieser Teebäume adäquat auszuschöpfen.
Konventionelle Teegärten in Nachbarschaft mit wilden alten Teebäumen in Ha Giang, Vietnam
Vietnam Tee in Zeiten der Revolution und des Krieges
Die kommunistische Revolution brachte zumindest die organisierte Kultivierung und Verarbeitung von Tee aus Vietnam erst einmal wieder zum Stillstand. Ehemalige „Tea Bases“ wurden von revolutionären Truppen als Schlupfwinkel und Rückzugsgebiete genutzt und die Exportaktivitäten des Landes kamen bis zur vollständigen Befreiung des Nordens im Jahr 1955 insgesamt praktisch zum Stillstand. Aber auch die neue revolutionäre Führung sollte schon bald die Bedeutung von Tee als Handels- und Exportgut sowie das noch wenig ausgeschöpfte Potential von Vietnam Tee erkennen. Schützenhilfe bei der weiteren Erforschung seiner Tee-Vorkommen und der Entwicklung seiner Teeproduktion erhielt Vietnam fortan vor allem vom kommunistischen Partnerland Russland. Russische Teeexperten wurden beratend in Vietnam tätig, Teefabriken entstanden mithilfe russischer Technologie und staatliche Teeunternehmen und Kooperativen wurden mit weiterentwickelter Ausrüstung ausgestattet. Russland trat außerdem als neuer Abnehmer für Tee aus Vietnam auf den Plan und importierte beispielsweise im Jahr 1957 insgesamt 700 Tonnen schwarzen und 500 Tonnen grünen Tee aus Vietnam.
Samen des Thuyet Shan Teebaums in Ha Giang, Vietnam
Zwischen 1955 und 1975 erlebte die vietnamesische Teeproduktion aufgrund des Krieges nur wenig technische Entwicklung. Dennoch wuchs die von Teepflanzen bedeckte Gesamtfläche während dieser Zeit insbesondere im Norden des Landes auf insgesamt 65000 ha, aus denen jährlich ein Trockengewicht von 35000 Tonnen Tee gewonnen wurde, von denen wiederum 18000 Tonnen exportiert wurden.
Wilde alte Teebäume in der Provinz Ha Giang, Vietnam
Tee in Vietnam heute – Qualität und Sortenvielfalt
Nach Kriegsende erlebte Tee aus Vietnam dank einschlägiger Anstrengungen der vietnamesischen Regierung einen neuerlichen Boom. Öffentliche Entwicklungsprogramme bewirkten eine Erweiterung der für den Teeanbau genutzten Flächen auf 131000 ha im Jahr 2007, entsprechend einer Menge von 167000 Tonnen Tee Trockengewicht, von denen 110000 Tonnen in den Export gingen, während 30000 Tonnen Tee im eigenen Land verbraucht wurden. Gleichzeitig hat die Rolle des Teeanbaus als Mittel zur Einkommensgenerierung für arme und ländliche Haushalte stark zugenommen. Jüngste Zahlen sprechen von 675 Kleinproduktionsstätten und 400000 Tee produzierenden Privathaushalten im ganzen Land. Der Anteil von schwarzem Tee an der Gesamtproduktion wird auf 50% geschätzt. Weitere 40% entfallen auf grünen Tee und 10% auf beduftete Tees, von denen mit Jasmin- und insbesondere mit Lotusblüten bedufteter schwarzer Tee als nationale Teespezialitäten Vietnams gelten. Vietnam ist Mitglied der World Tea Association und vietnamesischer Tee wird heute von 200 registrierten Klein-Exporteuren in insgesamt 80 Länder auf der ganzen Welt exportiert.
Vietnamesische Teeforschungsinstitute haben eine Liste von 150 lokalen Varietäten erstellt, darunter hochwertige Oolong-Teekultivare sowie eine Vielfalt alter Teebaum-Varietäten, allen voran die im zentralvietnamesischen ‚Tay Con Linh‘-Gebirge heimische „Tra Shan Thuyet“ („High Mountain Snow Tea“) -Varietät, die Pate für unser Angebot an Artisan Arbor Tees aus Vietnam steht.
Tee aus Vietnam: ‚Tra Shan Thuyet‘ – Ancient ‘Snow Shan’ Tee
Tee aus Vietnam – Alter ‚Snow Shan“ Teebaum im Teegarten unseres Erzeugerpartners in Ha Giang
Ertragsmaximierung, konventioneller Teeanbau und hübsch anzusehende Reihen kleine Teebüsche in allen Ehren, der größte Reichtum Vietnams, wenn es um Tee geht, sind am Ende des Landes diverse Bestände an alten Teebäumen und die damit verbundenen uralten Verarbeitungstraditionen. Die älteste, in den höheren Gebirgslagen der zentralvietnamesischen Provinzen Suoi Giang und Ha Giang verbreitete Varietät „Tra Shan Thuyet“ („High Mountain Snow Tee“) ist nicht nur so alt wie der Teebaum selbst, sondern hebt sich darüber hinaus durch eine Reihe herausragender individueller Merkmale von den sonst aus Yunnan, Assam und anderen „Wiegen-Ländern“ bekannten Teebäumen ab.
Der bis zu 15 Meter hohe Baum ist durch einen ungewöhnlich dicken Stamm, große, lange Blätter und eine besonders große Ausbildung seiner sehr stark weiß behaarten Knospen gekennzeichnet, von denen der Tee seinen Namen hat: auf Vietnamesisch bedeutet ‚Thuyet‘ = ‚Schnee‘, ‚Shan‘ = ‚Hochland‘ und ‚Tra = ‚Tee‘. Der Stamm ist typischerweise mit hellem Moos und Flecken eines weißen Pilzes bedeckt, während die Blätter tiefgrün und von beeindruckender natürlicher Schönheit sind.
Mit hellem Moos und Pilzbewuchst überzogener ‚Tra Shan Thuyet‘ (‚Snow High Mountain‘) Teebaum
Traditionell werden aus den Knospen und Blättern der ‚Shan Thuyet‘-Teebäume vor allem grüner Tee, schwarzer Tee und beduftete Tees (vor allem Jasmintee und Lotusblütentee) hergestellt. Unser Erzeugerpartner in Ha Giang, der ausschließlich Tee von über 100 Jahre alten, in ihrer natürlichen biodiversen Umgebung in Höhenlagen ab 1400 Metern wachsenden Shan Thuyet Teebäumen verarbeitet, produziert außerdem noch einen vietnamesischen „Snow Shan Silver Needle“, welcher wahrscheinlich der Silver Needle Tee mit den größten Knospen der Welt ist, sowie ‚Pai Hao‘ Tee, eine auf einem besonders komplexen und sensiblen Verarbeitungsprozess basierende vietnamesische Schwarztee-Spezialität. Alle Tees werden von Hand gepflückt, was bei diesen Teebäum eine nicht zu unterschätzende Anstrengung darstellt: um die jungen Knospen und Blätter einzubringen, müssen die Pflücker nicht nur auf die Bäume, sondern bis in deren entlegensten Wipfel klettern. Gepflückt wird für alle Tees mit einem Pflückstandard von 1+1, d. h. es wird immer eine junge Knospe mit dem jüngsten dazugehörigen Blatt gepflückt. Während bei den meisten Teesorten die Knospe im Verhältnis zum jungen Blatt eher klein ist, ist das Verhältnis bei Snow Shan Tee genau anders herum und das junge Blatt wirkt gegen die stolz in den Himmel ragende Knospe eher unscheinbar, ein Eindruck, der sich auch im trockenen Blattmaterial wiederspiegelt. Auch die Verarbeitung der Teeblätter erfolgt bei unserem Partner in Ha Giang bis heute überwiegend mithilfe manueller Prozesse.
Das Pflücken der Knospen und jungen Blätter von den bis zu 15 Meter hohen Teebäumen ist harte Arbeit
Ich werde nie das Erlebnis des ersten Öffnens meiner ersten Tüte „Snow Shan Grüner Tee“ vergessen. Der visuelle Eindruck des halb grünen (Blätter), halb weißen (Knospen mit dichter Behaarung), zu halb geöffneten, lockigen Kringeln gerollten Blattguts hatte mich bereits sehr neugierig auf diesen Tee gemacht, aber der überwältigende, alle Sinne betörende Duft, der mir aus der frisch geöffneten Packung entgegenschlug, übertraf selbst die kühnsten Erwartungen. Dies und die Tatsache, dass ich bei der Verkostung dieses Tees sofort wusste, dass dies ganz zweifellos zumindest einer der besten grünen Tees war, die ich je getrunken habe, sollten nicht die einzigen Überraschungen jenes Tages bleiben. Vielmehr sollte der so gewonnene positive Eindruck sich bei der Verkostung von „Snow Shan Schwarzer Tee“, „Snow Shan Silver Needle“ und „Pai Hao“ Vietnam Tee in unverminderter Intensität wiederholen. Gerade der „Tra Pai Hao“ setzt insgesamt noch einmal einen drauf, und so mancher Teeliebhaber wird bei der Verkostung dieses Tees ebenso wie ich gar nicht anders können als mit dem Gedanken zu spielen, dass dies vielleicht der beste schwarze Tee der Welt ist.
4 x Ancient Snow Shan Tee aus Vietnam, v. links: grüner Tee, schwarzer Tee, Silver Needle, Pai Hao
Ich kann mich nicht erinnern, mich je zuvor einmal so spontan und so bar jedes Zweifels für die Aufnahme eines Tees – bzw. gleich einer ganzen Linie von Tees – in den Siam Tee Shop entschieden zu haben. Nicht ohne Stolz bieten wir „Snow Shan“ Tees seither in der eigens eingeführten Kategorie „Tee aus Vietnam“ im Siam Tee Shop an, und ich bin seit jenem Tag ganz fest davon überzeugt, dass nicht nur Tee aus Vietnam im Allgemeinen, sondern ganz besonders Ancient Artisan Snow Shan Tees aus Ha Giang und Suoi Giang einer großen Zukunft entgegensehen. In der Zwischenzeit kommen Freunde des Siam Tee Shop schon einmal in den Genuss des Besten, was Vietnam an Tee zu bieten hat:
Vietnamesische Thuyet Shan (‚Snow High Mountain‘) Tees im Siam Tee Shop